Megaparty zur Zeitenwende

■ Drei Jahre vor der Jahrtausendwende beginnen die ersten Planungen. Die Berliner Festspiel GmbH und die Unesco haben schon fertige Ideen in ihren Schreibtischschubladen

Wer jetzt schon planen will, wie, wo und mit wem er zum Jahrtausendwechsel den Champagnerkelch schwingt, muß einen langen Atem und eine stabile Beziehung haben. „Ich weiß jetzt schon, was ich Silvester in fünf Jahren mache“, verkündet Ute Sch. stolz. „Bloß weg aus der Stadt!“ Mit Freund und Sohnemann will sie auf eine kleine holländische Insel fahren. „Dort ist es schön ruhig“, freut sie sich.

Die Frau weiß, wovor sie flieht. Denn die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM) ist dabei, sich Gedanken über „ein großes Spektakel mit Außenwirkung, bei dem die historische Mitte eine Rolle spielen kann“, zu veranstalten, so Pressesprecher Bernd Buhmann. Noch gibt es jedoch kein konkretes Konzept. Doch eins ist klar: Die Jahrtausendwende soll „in einem Großereignis mit Außenwirkung kulminieren“, so Buhmann. „Berlin muß als Silvestermagnet was Besonderes bieten, mit dem Brandenburger Tor als Mittelpunkt.“ Denn schließlich gehe es darum, so Buhmann weiter, den gegenwärtigen Trend von zu über 80 Prozent ausgebuchten Hotels und vier Prozent mehr Silvestergästen in der Stadt auszubauen. Einen richtig pompösen Eintritt ins neue Jahrtausend hat sich die Unesco vorgenommen. Eine „Millennial Foundation“ (Jahrtausendstiftung) mit hochrangigen englischen Persönlichkeiten arbeitet bereits an einem „weltumspannenden Silvesterabend“ von Reykjavik bis Mauritius, von den Fidschi-Inseln bis Los Angeles. Und mittendrin: Berlin und Potsdam mit den in die Welterbeliste aufgenommenen Schlössern und Gärten.

Für etwa 200 gutbetuchte Gäste, die jeweils mehrere tausend Mark berappen müssen, soll in der Orangerie des Charlottenburger Schlosses eine rauschende Galanacht steigen. Betten werden sie ihre teuren Häupter voraussichtlich im Potsdamer Cecilienhof und im dann fertiggestellten Hotel Adlon am Brandenburger Tor. Die Berliner Festspiele GmbH wird sich möglicherweise am Rahmenprogramm beteiligen.

„Über Silvester 1999 schweigen wir aber noch“, geheimniskrämert der Pressesprecher der Festspiele, Torsten Maß. „Aber jede Institution, die auf sich hält“, so der Pressesprecher weiter, „läßt dieses Ereignis nicht an sich vorbeigehen.“ Bei „solch einem epochalem Wechsel“ müsse man „Normalüberlegungen beiseite legen“, so Maß weiter, „und uns in den Dienst der Sache begeben“. Derzeit bereitet die Festspiele GmbH zwei zentrale Ausstellungen vor: eine „Retrospektive des 20. Jahrhunderts“ und „Bilder und Mythen des 21. Jahrhunderts“.

Für Reisebüros und Veranstaltungsagenturen aber ist die Jahrtausendwende noch so weit entfernt, wie der Mond von Wanne- Eickel. Die Evangelische Kirche überlegt sich zumindest jetzt schon, wie sie ihre Schäfchen möglichst beschützt ins Jahr 2000 geleiten kann. Denn vor solch einem „epochalen Ereignis“ wie dem Eintritt in ein neues Jahrtausend seien die „Befürchtungen und Erwartungen“ besonders hoch, sagt der Pressesprecher Reinhard Stawinski. „Das muß objektiv aber nichts bedeuten“, so Stawinski. Ergebnis der ersten Überlegungen für das Jahr 2000: ein besonders festlicher Gottesdienst.

Vor einem Weltuntergang scheint in Berlin niemand Angst zu haben. Selbst die Zeugen Jehovas fürchten lediglich ein „Versinken der Erde im Chaos“, wenn nicht bald „bessere Zustände“ kommen und „Gott in die Geschicke auf der Erde eingreift“, so Pressesprecher Peter Meyer. Doch „Tag und Stunde des Eingreifens Gottes“ sei auch ihm nicht bekannt“, bekennt Meyer. Deshalb sei Silvester, ob 1995 oder 1999, ein Tag wie jeder andere auch. Barbara Bollwahn