Eine Metro zu Silvester

■ Warum es im Moskauer Zoo auch künftig kein Elefantenbaby mit dem schönen Namen Juri Luschkow geben wird

In einem Punkt hat der Kommunismus gesiegt: Das eigentliche große Fest des Jahres bleibt für die RussInnen nicht Weihnachten, sondern der gottlose Silvesterabend. Der Weihnachtsbaum heißt hier „Neujahrsfichte“.

Anders als im letzten Jahr wird Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin den MoskauerInnen diesmal kein Feuerwerk spendieren. Offenbar hat er all seine Energien im Wahlkampf verpulvert. Dafür konnte er aber am Donnerstag ein solides und nützliches Neujahrsgeschenk mit eröffnen, das der umtriebige Bürgermeiser Juri Luschkow spendierte: Die neue Lublino-Metro-Linie führt über sechs Stationen in den Südosten Moskaus. Vier Buslinien werden überflüssig, und Zehntausenden von BürgerInnen bleibt künftig der Alptraum erspart, sich täglich wie Ölsardinen in eine Konservenbüchse quetschen zu müssen.

Viele von ihnen werden künftig schwarzfahren. Der Preis in eine Richtung wurde kurz vor dem neuen Jahr noch schnell auf anderthalbtausend Rubel erhöht, bei Durchschnittsgehältern zwischen dreihundert- und vierhunderttausend Rubeln kann sich das kaum jemand leisten. Immerhin waren die MitarbeiterInnen des Moskauer Zoos von den Aktivitäten des Bürgermeisters derart beeindruckt, daß sie beschlossen, zum neuen Jahr ein Elefantenbaby nach ihm zu benennen. Die Taufe wird nicht zustande kommen. Des Oberbürgermeisters Gattin fand die Gedankenverbindung kränkend.

Wenn in diesen Tagen die Fortbewegung unter der Moskauer Erde teuer wurde, so kam sie an der Oberfläche ganz zum Stillstand. Gewohnheitsmäßig werden hier die Straßen kaum geräumt, nur mit Salz bestreut. Bei Temperaturen bis zu minus zwanzig Grad, verwandelt dies den Schnee in Glatteis. Am 26. und 27. Dezember standen die Wagen in der Innenstadt bis zu drei Stunden auf dem Fleck. Die InsassInnen der Ölsardinen-Busse verließen diese fluchtartig. Wer kann, wird über die Feiertage zu Hause bleiben. Als Feiertag gilt in ganz Rußland dieses Jahr übrigens auch der 2. Januar. Damit demonstriert die Regierung ihren Gerechtigkeitsinn. Sie will die leidgeprüfte Bevölkerung dafür entschädigen, daß Silvester diesmal auf einen ohnehin freien Tag fällt.

Auch sonst gibt es Lichtblicke. In den Moskauer Familien erinnert man sich voller Schrecken der Jahre 1989/1990, als viele von ihnen erstmals im Leben ohne „Schampanskoje“ Neujahr feierten. Heute gibt es ein breites Angebot für jeden Geldbeutel. Barbara Kerneck