8.000 illegale Deutsche in Ostberlin

■ Alter DDR-Ausweis seit gestern ungültig, doch viele haben noch keinen neuen beantragt

Rund 8.000 illegale Deutsche leben in Ostberlin. Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) rief anläßlich einer Neujahrsansprache vor der Berliner Polizei dazu auf, diesem kriminellen Treiben im Berliner Untergrund endlich ein Ende zu setzen. Wer sich ohne gültige Personalpapiere hier aufhalte und sich dabei womöglich auch noch von staatlicher Sozialhilfe finanzieren lasse, müsse konsequent abgeschoben werden. Wohin, verriet der Senator allerdings nicht.

Tatsächlich bewegen sich rund 8.000 OstberlinerInnen seit gestern ohne gültigen Ausweis durch die Stadt. So viele nämlich haben noch keinen neuen Personalausweis beantragt, obwohl ihr alter DDR-Ausweis mit dem Ende des Jahres 1995 seine Gültigkeit verloren hat. Theoretisch ist das ein Gesetzesverstoß, der mit einem Bußgeld zwischen 5 und 1.000 Mark geahndet werden kann. Praktisch aber haben die ausweislosen Deutschen nichts zu befürchten. Die Einwohnermeldeämter konnten nämlich trotz Überstunden ihres Personals gar nicht so viele neue Papiere ausstellen, wie beantragt wurden. Die Antragsfrist soll jetzt womöglich verlängert werden.

In den Meldestellen in Ostberlin und in der gesamten früheren DDR hatte in den letzten Tagen Hochbetrieb geherrscht, weil viele Leute aus Angst vor einem Bußgeldbescheid noch schnell ihren Antrag abgeben wollten. Das Neubrandenburger Einwohnermeldeamt mußte sogar wegen Überfüllung geschlossen werden. Die BerlinerInnen sahen die Sache allerdings noch am lockersten. Mit 8.000 Säumigen ist Berlin die Hauptstadt der Ausweismuffel. In Dresden trauten sich dagegen nur 1.000 von insgesamt fast einer halben Million EinwohnerInnen, ohne Ausweis weiterzuleben.

Die Gründe der 8.000 BerlinerInnen, die Meldestellen in weitem Umkreis zu umgehen, dürften indes recht banal sein. Den einen waren sie zu voll, die zweiten verschlampen konsequent alles, was mit Ämtern zu tun hat, die dritten besitzen längst einen bundesdeutschen Reisepaß.

Politische Verweigerung gegenüber dem BRD-Imperialismus ist indes so gut wie gar nicht mehr zu finden. Der taz gelang es jedenfalls nicht, einen einzigen aufrechten Vertreter der unvergeßlichen Errungenschaften des DDR-Sozialismus aufzufinden. Gleichzeitig aber weigerten sich fast drei Viertel aller Ostdeutschen strikt, ihren alten DDR-Ausweis zurückzugeben. Sie ließen ihren geliebten „Blauen“ lieber ungültig stempeln und bewahren ihn seitdem zu Hause im Nachtschränkchen auf. Ute Scheub