Vor den Deichen bloß nicht weichen

■ Ochsenwerders Bauern wollen keine Äcker für neuen Deich hergeben Von Heike Haarhoff

Nicht alle norddeutschen Deichgrafen stehen dem Neubau von Schutzwällen gegen die Sturmflut so aufgeschlossen gegenüber wie der legendäre Hauke Haien aus Theodor Storms „Schimmelreiter“. Deichvogt Werner Rolffs aus den Vier- und Marschlanden jedenfalls hält die geplante Rückverlegung des 1965 gebauten Gauerter Hauptdeichs in Ochsenwerder für einen „unmöglichen Plan“:

Erstens gingen den anliegenden drei Bauernhöfen am Ochsenwerder Elbdeich insgesamt 2,6 Hektar (26.000 Quadratmeter) wertvolles Ackerland unwiederbringlich verloren. Mehr Sicherheit vor Überflutungen verspricht sich der Wächter über die Elbdeiche im Südosten Hamburgs ebensowenig, wenn das rund 700 Meter lange Deichstück weiter landeinwärts verschoben wird: „Wenn es hoch kommt, bringt die Rückverlegung drei Zentimeter weniger Hochwasser.“ Rolffs hält den Kostenaufwand – nach Angaben der Baubehörde verschlingt die Verlegung rund fünf Millionen Mark inklusive der geplanten Erhöhung der Deichkrone von derzeit 7,60 auf 8,40 Meter – gemessen am erwarteten Nutzen für übertrieben. Außerdem, will der Deichvogt aus Erfahrung wissen, brauche ein Deich mindestens 15 bis 20 Jahre, bis er gesetzt und damit wasserundurchlässig sei.

„Das stimmt nicht“, widerspricht Baubehörden-Sprecher Matthias Thiede, der ein wenig beleidigt darüber ist, wie wenig Glauben die Bauern in den Vier- und Marschlanden seinen wissenschaftlichen Gutachtern schenken. Die Rückverlegung sei Bestandteil des „Deicherhöhungsprogramms“ für ganz Hamburg, das der Senat bis 2007 umsetzen will, und dürfe „nicht isoliert betrachtet werden“. Denn mit dem Verschwinden der Ackerflächen entstünden zugleich 2,2 Hektar naturbelassene, tidebeeinflußte Vorlandflächen als natürlicher Flutraum für die Elbe.

Solche ökologischen Argumente beeindrucken die Ochsenwerder Bauern wenig. „Es sind ja nicht nur die 2,6 Hektar, die wir der Stadt für einen Spottpreis von fünf oder sechs Mark pro Quadratmeter verkaufen sollen. Durch die Rückverlegung werden auch die Felder zerstückelt“, klagt Werner Rolffs. Oft lohne der Anbau auf den Restflächen nicht. Ausgleichsflächen wollen die Bauern wegen der „bestimmt viel zu weiten Anfahrtswege“ auch nicht. Stattdessen werden sie am heutigen Vormittag Vertretern der Baubehörde und des Bezirksamts Bergedorf bei einer Ortsbegehung vorschlagen, den alten Deich zur Landseite hin zu verstärken. Die Landwirte wären bereit, dafür auf einen sechs Meter breiten Streifen zu verzichten.

Doch die Aussicht auf Erfolg ist gering: Der Planfeststellungsbeschluß wurde bereits im März 1994 erteilt, der Sofortvollzug im vergangenen Sommer angeordnet. Die Entscheidung über den Antrag, den die Bauern dagegen vor dem Verwaltungsgericht stellten, will die Baubehörde zwar „abwarten, bevor wir loslegen“, doch der Bezirk Bergedorf – zuständig für den Ankauf der Flächen – droht damit, „notfalls zu enteignen“: Der erforderliche Besitzeinweisungsbeschluß ist bereits erteilt.