Tötet die Telekom! Von Carola Rönneburg

Liebe Familie Gehrke,

auch Sie werden sich über die Gebührenerhöhung der Telekom ärgern – immerhin dürfte Anja inzwischen etwa 15 Jahre alt sein. Noch mehr aber werden Sie sich über jene Person aufregen, die einst ständig bei Ihnen anrief, obwohl sie eigentlich keinen der Gehrkes sprechen wollte und sich anfangs nicht einmal mehr stotternd entschuldigte.

Diese Person bin ich. Sie erinnern sich bestimmt: Zum ersten Mal hatten wir Anfang des letzten Jahres miteinander zu tun. Ich hatte die Nummer meines Lieblingsteilnehmers in mein Tastentelefon getippt. Sie, Herr Gehrke, waren am Apparat, aber schwer zu verstehen. „Wer ist denn da? “ fragte ich überrascht. „Na, die Nummer, die Sie jewählt ham“, antworteten Sie und nahmen meine Entschuldigung entgegen. Eine Minute später waren Sie übrigens nicht mehr ganz so freundlich. Daß ich mir vor meinem dritten Anruf eine Checkliste mit doppelter Rückversicherung gebastelt hatte, wollten Sie mir auch nicht recht glauben.

Auf mehr Verständnis stieß ich da bei Ihnen, Frau Gehrke. Sie ließen mich ausreden und kannten sogar eine vergleichbare Geschichte aus der Verwandtschaft, wo auch einmal jemand aus Versehen um zwei Uhr nachts angerufen hatte. Außerdem hätte ich in der Woche darauf ohne Ihre Warnung vor den verschlossenen Türen des Telefonladens gestanden. (Sie hatten recht. Die machen keinen langen Donnerstag.) Und Sie, Frau Gehrke, kamen ja auch auf die Idee mit der Arbeitsteilung – daß wir beide versuchen sollten, den Störungsdienst zu erreichen. Außerdem hätten Sie als Hausfrau und Mutter sogar noch mehr Zeit, das zu probieren, und Anja könnte auch mal drei Tage von der Telefonzelle aus ihre Gespräche führen. Daß Anja dann diese schreckliche Erkältung bekam, tut mir heute noch leid. (Aber immerhin verpaßte sie so diese dubiose Party, auf der sie sich bestimmt zum ersten Mal in ihrem jungen Leben mit Apfelkorn betrunken hätte. Da waren wir beide schließlich groß in Sorge, Frau Gehrke.)

Ich weiß nicht wirklich, ob Sie Erfolg hatten. Ich nehme aber an, daß Sie durchgekommen sind, denn seit einigen Wochen kann ich Sie nicht mehr erreichen. Vielleicht war sogar ein Monteur von der Telekom bei Ihnen und hat einige Drähte neu montiert oder den Apparat ausgetauscht (obwohl das bei mir ja nichts genützt hatte). Irgendetwas muß jedoch passiert sein, denn jetzt lande ich immer nur beim vormals richtigen Teilnehmer. Der versucht bloß immer, mich in eine Unterhaltung zu verwickeln und reagiert inzwischen etwas ungehalten auf meine Entschuldigungen, ich hätte gar nicht ihn...

Die Auskunft kann mir nicht weiterhelfen, weil Sie eine Geheimnummer haben. Das hätte ich zwar auch so gemacht, wenn Anja meine Tochter wäre, aber in diesem Fall ist das doch sehr hinderlich. Wo soll ich Sie finden, Familie Gehrke? Was wird aus dem Rezept, das Sie mir für meine Geburtstagsfeier geben wollten? Mit wem soll ich jetzt das Fernsehprogramm diskutieren? Wie soll jemals der gemeinsame Urlaub stattfinden? Liebe Familie Gehrke: Bitte melden Sie sich!

PS: Kann der Lütte mittlerweile eigentlich „Gehrke“ aussprechen? Und läuft er endlich?