■ Nachtrag zum Geschäftsjahr 95: Werbegeschenke
: Übelriechend und überaus diskret

Wesentliches Merkmal eines ordentlichen Geschäftslebens ist das Werbegeschenk. Es wird vorzugsweise zum Jahresende mit blumigen Dankesworten für die gute – gerne auch: ersprießliche – Zusammenarbeit überreicht und vermittelt sowohl dem Schenkenden als auch dem Beschenkten die schöne Gewißheit von Teilhabe am und Unentbehrlichkeit im ökonomischen Kreislauf.

Natürlich ist Werbegeschenk nicht gleich Werbegeschenk. Lediglich in den Chefetagen zirkulieren Weine der oberen Preisklasse oder Gutscheine für ein Hummeressen. Ansonsten herrscht betrübliches Einerlei und ein dezidierter Hang zum Praktischen: Beim Gemüsehändler gibt es seit Abschaffung der Rabattmarken Schlüsselanhänger oder Ausweismäppchen. Und in Ämtern stapelt sich ab November vorzugsweise Büromaterial: Kugelschreiber, Schreibtischunterlagen und vor allem Kalender in jedweder Form und Ausführung – zugegebenermaßen unabdingbare Voraussetzungen für ein ordentliches Geschäftsleben und ersprießliche Zusammenarbeit. Alles praktisch, aber eben sturzlangweilig. Und sonderbarerweise absolut geschlechtsneutral.

Das müßte nicht sein. Mit Wehmut erinnern wir uns an das Jahr 1989, als uns unsere Hausbank eine wundervolle elektrische Fusselbürste überreichte, die wie ein kleiner Rasenmäher auch von empfindlichsten Wolltextilien häßliche Riebele auf schonende Weise heruntersäbelt. Ein originelles Geschenk, dessen praktischer Nährwert in beispielhafter Weise weibliche Kunden anspricht. (Nicht, daß Männer keine Riebele auf ihren Pullovern hätten. Aber eine Umfrage im männlichen Bekanntenkreis ergab, daß das 100 Prozent der Probanden erstens: komplett egal ist und sie zweitens: selbst wenn es nicht so wäre, das beschriebene Gerät um nichts auf der Welt benutzen würden.)

Während unser Kollege von einem Privatsender mit einem Jutesäckchen in Stiefelform abgespeist wurde, überraschte uns in diesem Jahr erneut unsere Hausbank mit einem Werbegeschenk, das den Standard ihres Fusselapparats an Komplexität sogar weit übersteigt. Dem aufwendig gestalteten Geschenkpäckchen entnahmen wir also einen flachen, scharf riechenden Gegenstand, rot mit zwei Reißverschlüssen und weichem Inhalt. Die spontane Assoziation: eine Geldbörse!, mit einem Päckchen Hunderter!, verwarfen wir – als vernunftbegabte Teilhaber am ordentlichen Geschäftsleben – sofort. Derlei verschenkt auch die Hausbank nicht – obwohl das der Branche vielleicht ganz guttäte. Außerdem stinkt Geld nicht.

Aber ein Gegenstand, dem man nicht sofort ansieht, wozu er gut ist, dessen Geheimnis man erst noch lüften muß: das hat etwas Spielerisches und überaus Diskretes. Öffnet man nun also den großen Reißverschluß an der Seite, fällt ganz spielerisch ein rotes Stoffknäuel heraus, das sich ganz diskret zu einer stabilen Einkaufstasche entfaltet. Bei Nichtbedarf einer solchen schiebt man das Knäuel ganz einfach wieder in das scharf riechende Täschchen zurück, zieht den Reißverschluß zu, und kein Mensch ahnt mehr, was man da hat. Aber das Genialste kommt erst noch: im Außenfach hinter dem kleinen Reißverschluß verbirgt sich nämlich zusätzlich ein Netz! Das also ist es: ein Netz verborgen in einer Einkauftstasche verborgen in einem Täschchen, das man seinerseits in der Handtasche verbergen kann.

Jetzt erst erschließt sich der gesamte Sinn und Nutzen, die gesamte Komplexität und Femininität dieses Geschenks. Es ermöglicht nichts weniger, als eine Einkaufstasche in der Handtasche zu verstauen, ohne sie mit einer Einkaufstasche zu blockieren. Es ist darüber hinaus zutiefst ökologisch, weil es Plastiktüten erübrigt und uns vor der Anschaffung der einhundertzwölften Baumwolltragetasche bewahrt. Es bringt endlich Ordnung in die weibliche Handtasche und ermöglicht so eine ersprießliche Zusammenarbeit mit derselben sowie ein ordentliches Geschäftsleben überhaupt. Und gegen den scharfen Geruch gibt's ja Handtaschendeos. Barbara Häusler