Premiere für europäisches Wahlrecht in Hessen

■ Erstmals dürfen Ausländer aus EU-Staaten an Bürgermeisterwahl teilnehmen

Frankfurt/Main (taz) – Grebenau heißt der kleine Ort mit 3.000 Einwohnern im Vogelsberg, in dem am kommenden Sonntag erstmals in Hessen ausländische und deutsche BürgerInnen der Kommune gemeinsam zur Wahl gehen können. Am Neujahrstag ist nämlich die im vergangenen Jahr vom Landtag in Wiesbaden mit großer Mehrheit verabschiedete Wahlrechtsnovelle in Kraft getreten. Nach der Wahlgesetzänderung haben jetzt auch alle über 18jährigen EU-BürgerInnen, die in Hessen leben, das Recht, an Kommunalwahlen teilzunehmen und bei Direktwahlen Bürgermeister und Landräte mitzuwählen.

In Grebenau steht am 7. Januar die Stichwahl um das Amt des Bürgermeisters auf dem kommunalen Spielplan. Und die insgesamt 9 (in Worten: neun) EU-BürgerInnen – aus der Pizzeria und vom Griechen um die Ecke – dürfen die Wahllokale stürmen.

Große Veränderungen im Wahlverhalten ihrer BürgerInnen erwarten die Stadtväter und -mütter allerdings nicht – nicht nur wegen der geringen Zahl wahlberechtigter Ausländer. Umfragen renommierter Institute unter EU- AusländerInnen in Deutschland haben längst bestätigt, was erzkonservative Kritiker der Wahlrechtsreform nie wahrhaben wollten: Das Wahlverhalten der EU-AusländerInnen unterscheidet sich kaum von dem der deutschen WählerInnen.

Der hessische Innenminister Gerhard Bökel (SPD) bezeichnete die Wahlrechtsänderung zum Jahreswechsel als „Beitrag zur Integration der hier lebenden Ausländer“. Und Bökel verwies darauf, daß das Land seinen Handlungsspielraum bei der Neugestaltung der Wahlgesetzgebung „voll ausgereizt“ habe. In Hessen haben EU-AusländerInnen – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – auch das passive Wahlrecht und können selbst für Gemeinde- und Kreisparlamente kandidieren oder sich um Bürgermeister- und Landratsämter bewerben. Darüber hinaus können EU-BürgerInnen in Hessen auch an Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden mitwirken.

Differenzierter sehen viele Mitglieder von Ausländerbeiräten in den hessischen Kommunen die Wahlrechtsreform. Zwar werde damit ein Stück mehr (Wahl-)Gerechtigkeit für MigrantInnen geschaffen, doch gleichzeitig ein Zweiklassenstatus für AusländerInnen in Deutschland etabliert, hieß es etwa in einer Stellungnahme der Kommunalen AusländerInnenvertretung in Frankfurt am Main. So blieben die größten Gruppen der hier lebenden AusländerInnen, Menschen aus der Türkei und aus Exjugoslawien, weiter vom kommunalen Urnengang ausgeschlossen. Klaus-Peter Klingelschmitt