Kurioses Kammerspiel

■ Ein merkwürdiger und auch teurer Betrugsprozeß ohne den Angeklagten

Tagsüber 20 Grad, abends Paella – das wären schon zwei gute Gründe, um auf Mallorca zu verweilen, statt vor dem Landgericht Hamburg auf der Anklagebank Platz zu nehmen. Als weiterer Grund wäre auch das Fehlen einer entsprechenden Vorladung denkbar. Und so soll es im Fall von Klaus E. eben gewesen sein, meint sein Rechtsanwalt. Mangels Mandanten verteidigte der sich gestern vor derr Strafkammer 14 selbst.

Der auf der Baleareninsel lebende Klaus E. ist wegen Betruges angeklagt. Rund eineinhalb Millionen Mark soll er von drei Personen zur gewinnbringenden Weiterverwendung erhalten, aber zur eigenen Bereicherung verwendet haben. Jahrelang ermittelte die Staatsanwaltschaft in dieser Sache, deren Klärung nun noch länger auf sich warten läßt. Denn durch das Fehlen des Angeklagten muß die Hauptverhandlung – anberaumt waren elf weitere Prozeßtage – völlig neu aufgerollt werden. Wann das möglich sein wird, steht in den Sternen. Während Klaus E. diese bis auf weiteres am Himmel über Mallorca betrachten kann, traf seinen Verteidiger indes die ganze Kälte der hanseatischen Gerichtsbarkeit. Als Sündenbock wolle man ihn abstempeln, klagte er, nur weil er „vor Urzeiten mal“ eine Verpflichtung unterschrieben habe, die Vorladung zur Hauptverhandlung an seinen Mandanten weiterzuleiten. „Das liegt bei mir abends in der Unterschriftenmappe; das lese ich doch nicht nochmal durch.“ Wenn er gewußt hätte, daß sein Mandant über ihn geladen worden sei, hätte er ihm das selbstverständlich gesagt. So aber habe er ihn vorgestern lediglich telefonisch informiert, daß er ohne formelle Ladung nicht zum Prozeß erscheinen müsse. Er bedauere das alles sehr.

Daß der Vorsitzende ihm das nicht glaube, erkenne er allerdings an dessen „nonverbaler Reaktion“, diesem Schulterzucken zum Beispiel. „Was da von Ihnen ausströmt – nicht zu fassen.“ Er sei nun fast 60 Jahre alt, meinte der Vorsitzende daraufhin. Da könne man solche Gewohnheiten nur noch schwerlich ablegen. Ihre Energie wird die Kammer daher für andere Dinge aufwenden: Sie wird die Entschuldigungsgründe für das Nichterscheinen des Angeklagten prüfen, möglicherweise Haftbefehl erlassen und irgendwann erneut verhandeln. Über die Kosten dieses kuriosen Kammerspiels schwieg sich die Pressestelle gestern aus. Stefanie Winter