Unerbittlicher Häuserkampf in Kleinmachnow

■ Der Sonderkündigungsschutz-Ost ist weg, die Alteigentümer stehen vor der Tür

In einem Restaurant hört ein älterer Herr zufällig, daß am Nebentisch über Eigenbedarfskündigungen gesprochen wird. Spontan rückt er mit seinem Stuhl herüber und beginnt zu schimpfen: „Das ist Monopoly mit Menschen, was mit uns hier gespielt wird.“ Von einem „Häuserkrieg“ hatte kürzlich eine Professoren-Gattin in einer Zeitung gesprochen. Die Stimmung in Kleinmachnow im Süden Berlins, dicht bei Zehlendorf, ist mehr als geladen, so wütend und aufgebracht sind die Bürger.

Schuld daran ist der Wegfall des Sonderkündigungsschutzes in den neuen Ländern zum 1. Januar. Die Angst vor einer Kündigungswelle wegen Eigenbedarfs in den schmucken Ein- und Zweifamilienhäusern und Einliegerwohnungen geht um. Bürgermeister Wolfgang Blasig (SPD) schätzt, daß in der rund 11.100 Einwohner zählenden Gemeinde rund 5.500 Bürger von möglicher Kündigung bedroht sind. Das ist ein einmaliger Fall in der BRD Deutschland. Auch Bundesbauminister Klaus Töpfer (CDU) hat kürzlich von der Brisanz des „Sonderfalles Kleinmachnow“ gesprochen, aber auch keine Lösungen anbieten können.

Hartmut Piecha, zuständiger Sachgebietsleiter in der Gemeindeverwaltung, beschreibt die zum Teil trostlose Lage: „Der psychische Druck ist gewaltig, viele Arbeitsplätze sind weggebrochen, jetzt schüttelt uns nach der Welle mit den Restitutionsansprüchen der zweite Schock.“ Bezahlbaren Ersatzwohnraum gebe es kaum, im freifinanzierten Neubau würden die Mieten bei 2.000 bis 4.000 Mark liegen. „Das kann sich doch nur eine gewisse Upperclass aus Berlin leisten, da können wir hier nicht mithalten.“ Aber auch der soziale Wohnungsbau hilft da kaum: Lediglich 180 Wohnungen sind bisher neu entstanden.

Vor dem Mauerbau hatten viele Berliner hier ihre Heime im Grünen, die sie dann verließen. Jetzt bietet sich im sogenannten „Speckgürtel“ eine idyllische Lage mit zahlreichen villenartigen Häuschen, um die der Kampf in voller Härte entbrannt ist. „Die Methoden sind nicht schön, sie sind sehr rüde“, weiß Hartmut Piecha für die Verwaltung zu berichten.

Auch Bauingenieur Hans Hänsch kennt Kollegen, „die brutal regelrecht fortgetrieben worden sind“. Er selbst ist „zum Glück verschont geblieben“. Das besondere Problem sei, daß die meisten Kleinmachnower inzwischen viele Jahrzehnte hier ihre Heimat haben und selbst alt geworden sind. Sie wissen einfach nicht mehr wohin in ihrem Ruhestand. Experten vom Mieterbund wie der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, in Berlin oder der Ost-Beauftragte des Mieterbundes, Jost Riecke, in Potsdam empfehlen volle Ausnutzung aller Rechte.

Auch Brandenburgs Politiker, die mit Vorstößen in Bundesrat und Bundestag das jetzt geltende Recht nicht verhindern konnten, raten zum Kampf. CDU-Fraktionschef Peter Wagner schloß sich hier dem Brandenburger Justizminister Hans Otto Bräutigam (parteilos) an, der geraten hatte, sich mit der Sozialklausel „in jedem einzelnen Fall zu wehren“. Der Eigenbedarf muß im Detail begründet werden, Gerichte ziehen zur Beurteilung auch Einkommensverhältnisse und die Chance der betroffenen Mieter auf vergleichbaren Ersatzwohnraum heran.

Doch das alles wird die Stimmung in Kleinmachnow weiter verschärfen, wo jetzt schon Mißtrauen, Angst und blanke Wut Alltag sind. Im Büro von Bürgermeister Blasig hängt eine Karte, auf der alle Rückgabe-Ansprüche rot eingezeichnet sind. Fast die gesamte Gemeindekarte ist tiefrot. Auf 3.239 Häusern lagen 1.912 Forderungen auf Rückgabe. „Über 1.000 Bürger mußten schon ihre Heimat verlassen, es kann jetzt noch viel schlimmer kommen“, fürchtet der Bürgermeister. Hans Rüdiger-Bein, dpa