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Was, bitte, ist eine Aktie?

Die Massenprivatisierung rumänischer Betriebe kann als gescheitert gelten: Der bürokratische Vorgang ist zu undurchsichtig  ■ Aus Bukarest Keno Verseck

Rumäniens Staatspräsident Ion Iliescu zeigte sich „verärgert“ und „sauer“ über die komplizierte Bürokratie seines Landes. Als er kürzlich seinen persönlichen Privatisierungskupon gegen Aktien eines Unternehmens nach seiner Wahl eintauschen wollte, legten Beamte ihm erst mal einen Stapel unverständlicher Formulare vor, die er ausfüllen sollte.

Nicht nur der Staatspräsident hat Probleme mit dem Verständnis des rumänischen Massenprivatisierungsprogrammes, sondern auch die überwältigende Mehrheit der Rumänen. Im Unterschied zu Iliescu verzichteten sie allerdings ganz darauf, ihren Kupon für einen Aktientausch anzumelden. Bis Weihnachten hatten nicht mehr als sieben Prozent aller Kuponbesitzer ihren Privatisierungsschein für einen Aktientausch „eingeschrieben“ – so wird die bürokratische Prozedur genannt. Die gesetzliche Einschreibungsfrist wäre am 31. Dezember abgelaufen. Um nicht eingestehen zu müssen, daß das Massenprivatisierungsprogramm vorerst gescheitert ist, verlängerte die Regierung die Frist bis 31. März.

Dabei hatte die Regierung in einer Werbekampagne versprochen, daß alles ganz einfach sein würde. Phase eins: Jeder, der 18 Jahre oder älter ist, erhält einen Privatisierungskupon. Eine Liste mit 4.000 zu privatisierenden Staatsunternehmen erscheint. Phase zwei: Die Bürger melden ihren Kupon für den Aktientausch bei einem Unternehmen ihrer Wahl an. Phase drei: Die Aktien werden ausgegeben.

Doch schon bei der Verteilung der auf Namen lautenden Kupons kam es zum Behördenchaos. Zahlreiche Postämter hatten tagelang nur Kupons längst Verstorbener vorrätig, während Druckereien nicht mit dem Drucken der Kupons für die Lebenden nachkamen. Andere Postämter verweigerten die Ausgabe der Kupons, weil nicht klar war, ob nur der neue oder auch der alte Personalausweis zur Abholung berechtige. Bereits die Ausgabeprozedur mußte verlängert und vereinfacht werden, damit mehr als 90 Prozent der Rumänen ihren Kupon abholen konnten.

Daß sich bislang lediglich sieben Prozent für den Umtausch der Kupons in Aktien eines bestimmten Unternehmens entschieden haben, liegt jedoch nicht nur an der komplizierten Einschreibungsprozedur, sondern vor allem an den Unternehmen, die zur Privatisierung angeboten werden. Gesetzlich vorgeschrieben ist, daß sie keine Verluste machen dürfen. Mit einem rechnerischen Betrug hat die Regierung diese Vorschrift umgangen: Bei Unternehmen, die in den roten Zahlen stecken, wurde die jeweilige Verlustsumme vom Grundkapital abgezogen, so daß das Unternehmen in seiner Gewinnbilanz einen Nullsaldo aufweist.

Das ist der Fall bei rund 1.000 der insgesamt 4.000 Unternehmen, die auf der Massenprivatisierungsliste stehen. Hunderte weitere Unternehmen verzeichnen nur Minimalgewinne. So hat sich im Lande der Verdacht breitgemacht, daß die Regierung den Menschen unverkäuflichen Schrott andrehen will, während gutgehende Unternehmen der herrschenden Klientel vorbehalten bleiben oder gegen Schmiergelder an ausländische Investoren verkauft werden.

Hinzu kommen zahlreiche andere Hindernisse, die die Rumänen davon abgehalten haben, ihren Kupon einzuschreiben. Die Liste mit den 4.000 Unternehmen enthält nur drei Angaben aus der Jahresbilanz 1994: das Grundkapital, den Umsatz und den Gewinn. So ist es selbst für Experten nicht einfach, sich ein Bild von der Lage eines Unternehmens zu machen. Die Entscheidung dürfte Laien um so schwerer fallen, als laut einer Umfrage ein Drittel der Rumänen nicht weiß, was genau eine Aktie und eine Wertpapierbörse ist.

Auch glauben viele Rumänen nicht daran, daß die Aktien in der Reihenfolge der Einschreibungen ausgegeben werden. Ihr Argwohn: Da zu wenige profitable Unternehmen auf der Liste stehen und die Nachfrage zu groß ist, werden nur diejenigen Aktien profitabler Unternehmen erhalten, die Beziehungen zum Betriebsdirektor haben.

Etwas Besseres, als angesichts all dessen die Einschreibungsfrist zu verlängern, ist der Regierung bislang nicht eingefallen. Einen Vorschlag, auf das tschechische Modell von Investitionsfonds zurückzugreifen, lehnte sie wie schon im Frühjahr, als das Programm zur Massenprivatisierung entworfen wurde, ab. Nicht einmal zu einer Vereinfachung der Einschreibungsprozedur konnte sie sich durchringen. So witzelte die Oppositionszeitung Romania libera (Freies Rumänien): „Es gibt zwei Arten von Reformen: die, die gar nicht erst beginnen, und die, die nicht zu Ende geführt werden. Unsere Reformen sind die der dritten Art.“

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