„Nicht weit von der Bundespartei entfernt“

■ Ex-Generalbundesanwalt von Stahl will Landesvorsitzender der Berliner FDP werden

taz: Herr von Stahl, Sie haben offiziell Ihre Kandidatur für den Vorsitz der Berliner FDP auf dem Landesparteitag am 12./13. Januar angemeldet. Soll der Landesverband unter Ihrer Leitung zum Labor für nationalliberale Ideen werden?

Alexander von Stahl: Mit Sicherheit nicht. Der Begriff „Nationalliberal“ trifft auf mich nicht zu, weil es den Liberalismus meiner Ansicht nach unnötig einengt.

Aber Sie propagieren doch die Nation als Bestandteil liberaler Politik.

Mein Hauptaugenmerk gilt und galt den Fragen der inneren Sicherheit. Mit der Frage der Nation haben sich andere in unserem Kreis beschäftigt. Die Nation ist ja durchaus ein Begriff, der politisch relevant ist. Immerhin bleiben die Nationalstaaten trotz der Europäischen Union das Instrument, mit dem Politik gemacht wird. Wenn Sie so wollen: In diesem Sinne bin ich durchaus nationalbewußt. Aber ich sitze doch nicht hier und pfeife die erste Strophe des Deutschlandliedes.

Sie haben erklärt, bestimmte Personen wollten im Falle Ihrer Wahl die FDP finanziell unterstützen. Wer hat dieses Angebot gemacht?

Neben der Aufgabe, der FDP ein neues Selbstbewußtsein einzuflößen, muß ein neuer Vorsitzender, wie immer er auch heißen mag, die immense Schuldenlast von mehreren hunderttausend Mark abtragen. Ich habe mit Leuten gesprochen, von denen ich vermute, daß sie zu finanzieller Unterstützung bereit wären, wenn ich zum Vorsitzenden der FDP gewählt werde. Mehr werde ich dazu nicht sagen.

Im Vorfeld Ihrer Kandidatur haben Linksliberale wie die Ex- Landesvorsitzende Carola von Braun schärfsten Widerstand gegen Ihre Kandidatur angesagt. Müssen jene Kräfte die Partei verlassen, wenn Sie den Vorsitz übernehmen?

Ich hoffe nicht. Ich habe dem Landesverband ja auch nicht den Rücken gekehrt, obwohl er sich immer als progressiv bezeichnet hat. Ich sehe überhaupt keinen Anlaß, warum diejenigen, die sich etwa dem Freiburger Kreis verpflichtet fühlen, nicht auch weiterhin unter einem Vorsitzenden Alexander von Stahl in der Partei mitarbeiten können.

Was gibt Ihnen die Sicherheit, jetzt anzutreten? Ihre Positionen waren ja bislang in Berlin klar in der Minderheit. Selbst der zurückgetretene Landesvorsitzende Günter Rexrodt distanzierte sich öffentlich von Ihrem Kreis. Ist Ihr Antritt dem allgemeinen Klimaumschwung in der FDP geschuldet?

Natürlich hat mich die Mitgliederbefragung zum Großen Lauschangriff ermutigt. Das war ja eine der wesentlichen Forderungen, die ich zusammen mit meinen Mitstreitern in dem Erneuerungspapier für die FDP erhoben hatte. Der zweite Punkt ist: Wer die Lippen spitzt, der sollte auch pfeifen. Eine der größten Herausforderungen für Liberale ist der nicht mehr zu bezahlende Umverteilungstaat und die Rückgewinnung des Mittelstandes. Mit solchen Positionen bin ich doch gar nicht so weit von der Bundeslinie entfernt.

Nun werfen Ihnen Linksliberale vor, Sie seien der Türöffner für Personen wie dem Historiker Rainer Zitelmann, die eigentlich auf der Suche nach einer rechten, nationalen Partei sind.

Ich bin nicht der Strohmann für irgend jemanden. Ich habe meine Überzeugungen, die ich auf dem Parteitag darlegen werde und die sich sehr wohl mit liberalen Ideen decken. Von meinen politischen Freunden habe ich bisher nichts anderes gehört – sonst würde ich mich auch von ihnen trennen. Interview: Severin Weiland