„Wir wollen auf die Quote nicht verzichten“

■ NRW-Frauenministerin hält trotz entgegengesetzter Gerichtsurteile an der Quote fest

Die Frauenquote gerät juristisch unter Druck. Den Anfang machte der Europäische Gerichtshof mit einem Urteil über das Bremer Gleichstellungsgesetz am 17. Oktober letzten Jahres: Unvereinbar mit europäischem Recht, befanden die Richter und kassierten das Gesetz. Nun steht auch die Überprüfung des nordrhein-westfälischen Frauenförderungsgesetzes durch die Luxemburger Richter bevor. Einen entsprechenden „Vorlagebeschluß“ hat das Gelsenkirchener Verwaltungsgericht in der letzten Woche gefaßt. Obwohl das NRW- Gesetz – anders als in Bremen – eine Härtefallklausel zugunsten von Männern aufweist und den Behörden in jedem Fall eine Einzelfallprüfung bei Beförderungen auferlegt, könnte auch das Düsseldorfer Gesetz nach Auffassung der Gelsenkirchener Richter gegen europäisches Recht verstoßen.

Schon vor einigen Wochen hatte der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) in Münster das Düsseldorfer Gesetz unter Hinweis auf den Luxemburger Beschluß als unvereinbar mit dem europäischen Recht bezeichnet und es für „nichtig“ erklärt. Doch die Vorschriften gelten weiter, weil Oberverwaltungsgerichte keine Gesetze außer Kraft setzen können. Eine solche Verwerfungskompetenz steht nur dem Bundesverfassungsgericht zu, bei dem zur Zeit zwei Klagen anhängig sind.

taz: Frau Ridder-Melchers, schlägt jetzt die „Männerjustiz“ zurück?

Ilse Ridder-Melchers: Unabhängig von den jüngsten Urteilen läßt sich an vielen Ecken und Kanten in der Gesellschaft inzwischen feststellen, daß den Frauen der Wind zunehmend wieder ins Gesicht bläst. Der Beschluß des OVG Münster ist für mich nur schwer nachvollziehbar, denn in der Urteilsbegründung zum Bremer Gesetz wenden sich die Richter des Europäischen Gerichtshofs ja gerade ausdrücklich dagegen, daß Frauen in Bremen bei Ernennung und Beförderung bei gleicher Qualifikation ohne Ausnahmen absolut und unbedingt den Vorrang eingeräumt bekommen. Das trifft nun auf das nordrhein-westfälische Gesetz wirklich nicht zu, denn wir haben ja eine Öffnungsklausel, die im Einzelfall auch die Berücksichtigung von Männern bei Beförderungen zuläßt.

Basteln Sie für den Fall der Fälle schon an einem neuen Gesetz?

Nein, denn ich bin zuversichtlich, daß unser Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof bestehen wird. Im übrigen sind wir dabei, ein umfassendes Landesgleichstellungsgesetz zu erarbeiten, in das die bisherigen Vorschriften zur Quotierung aber Eingang finden sollen.

Wie wichtig ist die Quotierung bei der staatlichen Frauenförderungspolitik?

Die Quote ist ein wichtiges Element zur Frauenförderung im öffentlichen Dienst. Das zeigen die Daten. So stieg die Zahl von Frauen im höheren Dienst in den letzten Jahren um fünf Prozent auf jetzt 29 Prozent an. Ohne Quotierung hätten wir diese Steigerung gewiß nicht erreicht. Gleichzeitig zeigt die Zahl aber auch, wie weit wir noch von einer wirklichen Gleichstellung in Führungsbereichen entfernt sind. Die Quotierung ist ein Instrument, das die Frauen ermuntert und motiviert, sich auf Führungspositionen zu bewerben. Darauf wollen wir auch in Zukunft nicht verzichten.

Hat sich die Zahl der Klagen in NRW gegen die Quote seit der Luxemburger Entscheidung signifikant erhöht?

Solche Daten werden gar nicht erhoben. Konkurrentenklagen hat es aber immer gegeben – auch schon vor dem Frauenförderungsgesetz. Zur Zeit liegen 30 Klagen gegen das nordrhein-westfälische Frauenförderungsgesetz vor, aber bei 380.000 Landesbediensteten kann man von einer Klageflut gewiß nicht reden. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß die absolute Zahl von Beförderungspositionen rückläufig ist und somit das Gerangel und der Ärger um die begehrten Aufstiegsplätze im Vergleich zu früher auch ohne die Quote zugenommen hätte. Ich glaube, daß die Quote die Frauen nach vorn gebracht hat, und genau daraus erklärt sich auch ein Teil des Widerstands dagegen. Daß das Klima für Frauenförderung heute nicht gerade günstig ist, hängt auch damit zusammen, daß sich der Kampf um Arbeitsplätze zunehmend härter gestaltet. In einer solchen Situation werden Frauen als Konkurrentinnen natürlich nicht gern gesehen. Interview: Walter Jakobs