Die Fratze der Telekom

■ Schadet dem Unternehmen mit Fantasie und Frohsinn!

Zum Jahresanfang stehen wir mit dem Leben gern auf du und du. Menschen, die uns bewegen, Zustände, die unbedingt verbessert werden sollten, dominieren das Tagesgespräch. Da kommt uns der Telekom-Skandal sehr gelegen. Millionen Telefonierer wurden schmählich betrogen und gedemütigt. Betroffen sind vor allem Ostler und Schwaben. Geschätzter Verlust für den Einzelnen: 1,34 Mark oder 79 Pfennig. Sauer verdientes Geld. Dafür sind wir '89 nicht auf die Straße gegangen!

Auf dem Weg zur Privatisierung zeigt das Telefoniersystem seine entmenschte Fratze. Schon die neue Tarifordnung, die großen Firmen nützt und vor allem Frauen (telefonieren länger als Männer) schadet, war ein Verbrechen! Der kleine Mann ist wieder der Dumme! Und der neuerliche Skandal bringt das Faß zum Überlaufen. Ein Sturm der Empörung bricht los. Auch Politiker erregen sich, deren Parteien die neuen Gebührenordnungen beschlossen haben. Betroffeneninitiativen bilden sich. Zu Demonstrationen wird aufgerufen. Im Geiste Gandhis werden Formen des zivilen Ungehorsams empfohlen. Wenn man seinen Dauerauftrag kündigt und stets termingerecht ein paar Pfennige zuviel bezahlt, kann man die Telekom prima ärgern. Noch Radikalere wollen auf Joghurtbechertelefone umsteigen – mit dem Faxen gibt es aber noch Probleme.

Es ist schon alles sehr empörend, gleichzeitig jedoch auch wieder so trostlos blöde, wie das Statement des Telekom-Gewerkschafters Theodor Jatzkowski: „Wenn man schon von Gebührenabzocke spricht, müßte man eher die Frage stellen: Wer zockt uns eigentlich nicht ab?“ Wenn – um auf das Jahreswechselskandalon zurückzukommen – die Tariffehlschaltungen, wie wir Fernmeldetechniker so sagen, wenigstens noch der ausgetüftelte Coup eines sympathisch verschuldeten Telekom- Knechts gewesen wäre und der sich jetzt einen schönen Urlaub machen könnte. Aber nein. Niemand kriegt das schöne Geld, das so zusammengekommen ist. Anstatt das Geld zum Fenster rauszuschmeißen, überlegen sich die Idioten von der Telekom „kulante Lösungen“. Das heißt, die um 23 oder 67 Pfennig Betrogenen, werden 30 oder 70 Pfennig zurückkriegen. Und dazu noch eine gelbe Rolf-Puppe.

Davon hat niemand etwas. Viel besser wäre es, wenn man die schöne Beute verlosen würde. Am besten unter denen, die, wie viele Bekannte und Freunde im Osten, immer noch kein Telefon haben. Da wäre dann auch ein bißchen Frohsinn dabei. Detlef Kuhlbrodt