Sinnenlust durch Sellerie

■ „Hot Spice“ im Hamburger Gewürzmuseum präsentiert Scharfes, das scharf macht

Im Liebestrank, den Tristan und Isolde zur Nacht schlürften, schwammen „die Hoden eines zweijährigen weißen Hahnes, Alraunenblüten, Trüffel, Thymian und Kümmel“ – ein schwerbekömmlicher Auftakt einer Romanze. Als weitere Zutaten des Gebräus wähnte der Kräuterheiler Messéqué einst „schwarzen und roten Pfeffer, Lorbeer, eine Languste und Sellerie“. Wie nun Geflügelhoden auf den menschlichen Magen wirken, ob sie tatsächlich sexuell anregen?

Fest steht jedenfalls, daß viele Kulturen den Einfluß von Gewürzen auf den Beischlaf kennen: Vanille, Salbei, Kümmel, Meerrettich und Paprika würzen nicht nur, sie schärfen auch die Sinnlichkeit.

Diese glückliche Verbindung demonstriert die Ausstellung „Aphrodisia 96“, die heute im Gewürzmuseum beginnt, optisch, haptisch und olfaktorisch. Auf einem typischen Boden in der Speicherstadt, der früher zur Warenlagerung diente, sind Gewürze und Geräte ausgestellt. Alle Kräuter darf der Besucher anfassen und beschnuppern. Zimt, Nelken und Anis geben, in Wasser eingelegt, ihren Geruch frei. Info-Tafeln verraten Weisheiten vergangener Jahrhunderte zum ewig jungen Thema. So galt Basilikum im Mittelalter als Symbol der Fruchtbarkeit, das die „unkeusche Begierde auf die Bahn bringt“.

Und Cardamon, vor dem Liebesspiel verzehrt, „beseitigt unangenehmen Mundgeruch“ – noch heute.

Die Ausstellung ist unaufwendig, aber liebevoll gemacht. Und nicht alles ist ernst gemeint. In einem „ranking“ haben die Kuratoren Uwe Paape und Viola Vierk die einzelnen Exponate kommentiert. Sie bedienen sich dazu eines Mörsers samt eines phallischen Schlegels. Der zeigt mal nach unten, mal steht er waagerecht, mal ganz aufrecht – der Neigungswinkel indiziert die Wirksamkeit der einzelnen Gewürze.

Auf dem Fußboden steht prallgefüllt der „Erotic bag“, ein Sack voller Senfkörner. Besucherin und Besucher werden aufgefordert, die kühlen, glatten Kugeln durch die Finger gleiten zu lassen. Darüber angepinnt findet sich ein Auszug aus Ghassam Ammaris „Buch der sexuellen Stimulantien und königlichen Mixturen“. Zu den Heilmitteln, die „das Sperma vermehren“, zählt der Autor Safran, Ingwer, Wiesenbocksbart und Mohrrüben. Direkt daneben schmachtet ein rebellisch erotischer James Dean, das Hemd offen bis zum Bauchnabel.

Die Wirkung von Aphrodisiaka läßt sich wissenschaftlich nur schwer überprüfen. Doch ausgerechnet bei einer Zutat von Meister Messéqués Tristan-und-Isolde-Süppchen ist der Forschung der Beweis gelungen. In der Sellerieknolle, im Volksmund auch „Geilwurz“, „Aufhupfer“ oder „Hemdenspreizer“ genannt, wurden hohe Konzentrationen eines Stoffes nachgewiesen, der sich auch im Geifer zeugungsfähige Eber findet. Beim weiblichen Schwein erzeugt dieses Pheromon den „Stillhalte-Reflex“ zwecks Kopulation. Derselbe „Heißmacher“ fanden die Wissenschaftler übrigens im Schweiß von zweibeinigen Männern. Uwe Scholz

Gewürzmuseum „HOT SPICE“, Am Sandtorkai 32, Hamburg, geöffnet Di-So von 10-17 Uhr.