Jeder zwölfte Raub erfunden

■ Im vergangenen Jahr mußte die Polizei 1.000 vorgetäuschte Straftaten bearbeiten. Lügengeschichten, aus Angst vor Strafe oder um die Versicherung zu betrügen

Auf Berliner Polizeiwachen wird teilweise geflunkert, daß sich die Balken nur so biegen. Anzeigen wegen Raubes oder Körperverletzung entpuppen sich beim Verhör durch erfahrene Kriminalisten manchmal als faule Geschichte oder „Vortäuschung einer Straftat“, wie es im Amtsdeutsch heißt. Im vergangenen Jahr mußte die Polizei wieder rund 1.000 „Räuberpistolen“ bearbeiten. Inzwischen erweist sich nach der Polizeistatistik jede zwölfte Raubanzeige als reine Erfindung.

So war es auch bei einem 20jährigen Wehrpflichtigen. Er hatte einen Rucksack samt Uniform, Feldjacke und Schießbuch verloren. Vom Spieß zur Rede gestellt, erfand er aus Angst vor drohenden Konsequenzen einen Raubüberfall. Bei einer 14jährigen Schülerin beflügelte Angst vor einer angekündigten Mathematikarbeit die Phantasie, und sie entschuldigte ihr Schwänzen mit einem Überfall.

Immer wieder sind auch Trinkgelage Anlaß zur Flunkerei bei der Polizei. Wenn alles Geld vertrunken und verspielt ist, wird den Beamten die Story vom unbekannten Täter aufgetischt, der mit Waffengewalt die gesamte Barschaft geraubt habe.

Um die Anzeige glaubwürdig zu machen, scheuen Märchenerzähler bisweilen auch nicht vor Selbstverstümmelung zurück. Ein 19jähriger schnitt sich mit einem Messer in den rechten Arm, bearbeitete mit einem Hammer seinen linken Unterarm und rannte mehrmals mit dem Kopf gegen einen Türpfosten. Eine 16jährige zeigte an, acht Skinheads hätten sie überfallen, als „ausländische Hure“ beschimpft und ihr Gesicht mit einem Teppichmesser zerschnitten – alles frei erfunden.

Autodiebstahl und Einbruch werden vorgetäuscht, um Versicherungen zu betrügen. Oft soll ein fälschlich angezeigter Fahrzeugdiebstahl aber auch nur vertuschen, daß der Besitzer zu tief ins Glas geschaut und dann einen Unfall gebaut hatte.

Dabei ist Vortäuschung einer Straftat keineswegs ein Kavaliersdelikt. Das Strafgesetzbuch sieht dafür in Paragraph 145 eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Bei der Polizei ist man jedenfalls „stinksauer“ auf solche Märchenerzähler. „Wir haben schon genug zu tun mit der echten Kriminalität. Man verschone uns mit den vorgetäuschten Straftaten“, wetterte ein Polizeibeamter. Wolf-Rüdiger Neurath, ddp