Abschiebung von London nach Dominica

■ Die britische Regierung will einen saudiarabischen Oppositionspolitiker loswerden, um ihre guten Beziehungen zum Königshaus in Riad nicht zu belasten

Berlin (taz) – An geschäftigen Tagen schickte er aus seinem Londoner Büro bis zu 1.000 Faxe in seine Heimat Saudi-Arabien. In Ministerien, Geschäften und Privatwohungen quollen Muhammad al-Masaris Appelle zur Demokratisierung aus den Apparaten – unkontrollierbar für das saudische Königshaus. Jetzt soll der rührige Oppositionelle sein Exil verlassen. Am Mittwoch ordnete die britische Regierung al-Masaris Ausweisung an. Künftig soll der Chef des „Komitees zur Verteidigung legitimer Rechte“ seine Aktivitäten von der kleinen Karibikinsel Dominica aus entfalten. Al-Masari (49), der 1994 über den Jemen aus seiner Heimat geflohen war, hatte sich in Großbritannien um den Status eines politischen Flüchtlings bemüht. Am Mittwoch teilte ihm das Innenministerium mit, sein Antrag sei wegen „nicht überzeugender Argumentation“ abgelehnt worden. Zudem habe sich Edison James, der Premierminister der ehemaligen britischen Kolonie Dominica, bereit erklärt, ihn aufzunehmen. Zwecks Abschiebung solle sich al-Masari am 19. Januar auf dem Flughafen London-Gatwick einfinden. Gegenüber der BBC kündigte al-Masari gestern an, gegen den Bescheid juristische Schritte zu unternehmen. Seine Abschiebung sei nicht zu legitimieren, zudem fühle er sich in Dominica alles andere als sicher.

Die Nachricht von al-Masaris Abschiebung kam am gleichen Tag wie die der Ernennung von Andrew Green zum neuen britischen Botschafter in Saudi-Arabien. Mit der Ausweisung will die britische Regierung offensichtlich unterstreichen, daß sie gewillt ist, das durch die Erkrankung von König Fahd geschwächte Königshaus noch stärker zu unterstützen als bisher. Menschenrechtsorganisationen reagierten empört. Lord Avebury, Liberaldemokrat und Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses des britischen Parlaments, bezeichnete die Ausweisung als Bruch der von Großbritannien unterschriebenen UN- Konventionen. George Galloway, Labour-Abgeordneter und Unterstützer der saudischen Opposition, bezeichnete den Beschluß als „niederträchtige Verbeugung vor den Waffenhändlern in Großbritannien und den Diktatoren in Riad.“

Tatsächlich hatte die saudische Führung in den letzten Monaten erheblichen Druck auf Großbritannien ausgeübt, um al-Masaris Aktivitäten zum Stillstand zu bringen. So waren britische Geschäftsleute vor „Sanktionen“ durch das saudische Königshaus gewarnt worden. Als der britische Außenminister Malcolm Rifkind im November in Riad weilte, machte sich König Fahd persönlich bei ihm für die Ausweisung al-Masaris stark. Anfang 1995 hatten die britischen Behörden bereits einmal versucht, al-Masari loszuwerden. Damals hieß das Ziel Jemen. Der Versuch scheiterte, weil das „Immigrations- Berufungstribunal“ al-Masaris Leben im Jemen bedroht sah.

Al-Masari war vor seiner Flucht in Saudi-Arabien eingekerkert und gefoltert worden. Wegen seiner Aktivitäten im Exil ließ die saudische Führung Angehörige seiner Familie verhaften, darunter seinen Sohn. Al-Masaris „Komitee zur Verteidigung der legitimen Rechte“ verlangt die Demokratisierung Saudi-Arabiens auf islamischer Basis. In der Praxis bedeutet das eine bunte Mischung von Forderungen, wie der nach einer gewählten Regierung, nach Abzug der in dem Land stationierten US- Truppen und der Aufhebung des Autofahrverbots für Frauen. Thomas Dreger