Klagen gegen Essener „Kessel“

■ Massenfestnahmen beim EU-Gipfel nicht folgenlos: Demonstranten verklagen jetzt die Polizei

Essen (taz) – Wegen der Massenfestnahmen beim EU-Gipfel im Dezember 1994 in Essen verklagen jetzt einige Demonstranten die Essener Polizei. Die hatte vor gut einem Jahr mit einem gewaltigen Poilzeiaufgebot einen neuen bundesdeutschen Rekord aufgestellt und insgesamt 918 DemonstrantInnen unter entwürdigenden Bedingungen eingekesselt. Stundenlang mußten die zumeist jungen Leute seinerzeit im strömenden Regen ausharren, bevor die Polizei ihnen Handschellen anlegte und zu den Gefangenensammelstellen überführte. In einem Eilverfahren hatte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Demonstration erst kurz vor Demobeginn bestätigt. Wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz leitete die Polizei zunächst gegen fast alle Festgenommenen ein Ordnungsverfahren ein. Doch all diese Fälle wurden inzwischen wegen „Geringfügigkeit“ eingestellt.

Übriggeblieben sind etwa 30 strafrechtliche Verfahren gegen Personen, denen aufgrund von sehr zweifelhaften Anschuldigungen etwa Sachbeschädigung vorgeworfen wird. Mit der jetzt beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eingereichten Klage wollen die Kläger deutlich machen, „daß offensichtlich willkürliche polizeiliche Maßnahmen nicht wehrlos hingenommen werden“.

Im Juristendeutsch handelt es sich um eine „Fortsetzungsfeststellungsklage“, mit der man zunächst die Rechtswidrigkeit des Polizeieinsatzes feststellen lassen will. Geht diese Klage erfolgreich aus, soll sofort eine Schadensersatzklage beim Landgericht folgen.

Selbst das Münchener Landgericht hat den dortigen Polizeikessel beim Weltwirtschaftsgipfel 1992 als rechtswidrig bewertet. Im Dezember letzten Jahres setzte sich das Münchener Oberlandesgericht mit einem Vergleichsvorschlag – der Freistaat soll 5.000 Mark an eine gemeinnützige Organisation zahlen und die Kläger auf Schadensersatz verzichten – von der Landgerichtsentscheidung zwar ab, aber ganz aussichtslos ist die Essener Klage gleichwohl nicht. Walter Jakobs