Jedem Flüchtling seinen Spitzel

■ Oberbayerns Regierung gibt weitere Fälle zu, in denen Asylbewerber von Sicherheitsleuten überwacht wurden

Berlin (taz) – Die Überwachung von Flüchtlingen ist in Bayern offenbar gängige Praxis. Nicht nur in Landsberg am Lech wurde genauestens festgehalten, wann Asylbewerber ihre Unterkunft verließen (die taz berichtete). Auch im Erstaufnahmelager in der Münchener Untersbergstraße überwachen und dokumentieren private Wachschützer das Kommen und Gehen von Flüchtlingen. Bisher hatte die Regierung von Oberbayern als Träger der Erstaufnahmeheime nur zwei Überwachungsfälle zugegeben. Gestern räumte deren Sprecher Karl Stadelmayr „weitere Fälle und Fallgruppen von Kontrollmaßnahmen gegen Unterkunftsbewohner“ ein. „Von Flüchtlingen wissen wir“, berichtet Lilli Schlumberger-Dogu, Sprecherin des bayerischen Flüchtlingsrates, „daß in der Untersbergstraße seit Jahren Namen und Uhrzeiten der Flüchtlinge beim Verlassen des Heimes registriert werden.“ Private Sicherheitsleute würden sich „immer wieder aufführen wie die Kapos und ihre Macht mißbrauchen“.

Die Überwachungspraxis ist nach Ansicht von Datenschützern und Juristen rechtswidrig. Nachdem die taz über Bespitzelungen von Flüchtlingen berichtet hatte, schalten sich jetzt auch Parteienvertreter im bayerischen Landtag ein. Sowohl Grüne als auch die SPD fordern die Landesregierung auf, die Rolle von privaten Wachschutzunternehmen in bayerischen Flüchtlingsheimen zu überprüfen. Die Augsburger Staatsanwaltschaft prüft, „ob eine Straftat in Betracht kommt und wer zur Verantwortung gezogen werden kann“. Der bayerische Datenschutzbeauftragte Reinhard Vetter ließ gestern in Landsberg die Vorwürfe untersuchen.

bam/hek Tagesthema Seite 3