: (K)ein Hundeleben
■ 25.000 verwilderte Katzen streunen in Hamburg herum – zu viele / Nun startet der hiesige Tierschutzverein ein Sterilisierungsprogramm Von Uwe Scholz
Ein Viertel der 100.000 Katzen, die in Hamburg leben, streunt wild durch die Gegend. Sie leben da, wo sie gefüttert werden. In Parks, auf Friedhöfen, in Fabrikanlagen oder an Bahndämmen. Die Arbeiter im Hafen geben ihnen zu fressen, oder Altenheimbewohner stellen etwas in den Garten. „Alleine auf dem Gelände von Blohm + Voss gibt es 100 wildlebende Katzen“, weiß Wolfgang Poggendorf, Geschäftsführer des Tierschutzvereines in der Süderstraße. Am Moorburger Elbdeich sind es noch einmal 70, auf dem Ohlsdorfer Friedhof sammeln sich gar viermal so viele.
Früher haben die streunenden Katzen bei Menschen gelebt. Doch nach ihrer Aussetzung haben die Tiere über die Jahre die soziale Anbindung verloren. Zudem ist fast ein Drittel der 25.000 verwilderten Tiere krank und sehr mager, oft leiden sie an Katzenschnupfen. Die heute freilebenden Nachkommen von Hauskatzen sind eben nicht daran angepaßt, hierzulande im Freien zu leben. Der Vermehrung tut das keinen Abbruch: Eine Katzenbevölkerung wächst sehr schnell, können Katzen doch gleich zweimal im Jahr Junge werfen. „Rein theoretisch können aus einem Katzenpaar nach zehn Jahren 32 Millionen Katzen entstehen“, rechnet Wolfgang Poggendorf vor.
Gegen dieses Tierelend möchte der Tierschützer angehen. In einer bundesweit einzigartigen Aktion läßt er rund 3 000 Katzen und Kater unfruchtbar machen. Die 300.000 Mark für das Programm kommen aus Spenden oder Mitgliedsbeiträgen des Tierschutzvereins. Die Gesundheitsbehörde schießt knapp 30.000 Mark zu. Zusätzlich zur Sterilisierung wildlebender Katzen unterstützt der Verein auch das Unfruchtbarmachen von Hauskatzen. Rentner, Alleinerziehende, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger bekommen die Möglichkeit, ihre Tiere auf Kosten des Tierschutzvereins operieren zu lassen.
So leicht wie die Hauskatzen bekommt der Tierschutzverein die verwilderten Tiere allerdings nicht unter's Messer. Die müssen erst einmal gefangen werden, was nicht ohne die Hilfe der Leute geht, die die Katzen füttern. Denn die Tiere sind so scheu, „daß sich ein Mensch keine fünf Meter nähern kann, ohne daß sie wegrennen“, sagt Poggen-dorf.
Die Tierfängerin, die er vor fünf Monaten eingestellt hat, spricht sich mit den Leuten ab und sorgt dafür, daß die Tiere nicht mehr gefüttert werden. An Stelle der Futternäpfe stehen Fallen, in denen ein Köder liegt. Beim Versuch, den Köder zu fressen, fällt eine Klappe herunter und die Tiere sind im Kasten gefangen. Nach der Operation können sie sich noch ein paar Tage im Tierheim erholen und werden dann an die Stelle zurückgebracht, wo sie herkamen. Vorher werden die Tiere an einem Ohr markiert. Man will sie nicht unnötigerweise ein zweites Mal fangen: Weg ist schließlich weg.
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