Sanssouci: Nachschlag
■ Jugendliche spielen Shakespeares "Sturm" im Pfefferberg
Eine gelungene Inszenierung, mit Verve und Percussion Foto: Thomas Aurin
Der Wind heult, Wellen klatschen durchs Fenster, panik-
erfüllte Menschen hasten auf den Notausgang zu. Eben noch friedliches Foyer, wird der Saal zum Bauch eines sinkenden Schiffes, Schauspieler und Zuschauer zu Passagieren im selben Boot. Von einem wilden Trüppchen trommelnder Gestalten vorangetrieben, landen alle kurz darauf auf einer öden Insel. Weit und breit nur Sand. Hier herrscht Prospero, ein langmähniger, zerlumpter Wüterich, verstoßener Herzog von Mailand, mit seinem Töchterchen Miranda. Ihm dienen der Luftgeist Ariel, der die Naturgewalten befehligt, und der Wechselbalg Kaliban, eine gedemütigte Kreatur. Zauberstab und Buch – Shakespeares zerfledderte Werke – verleihen Prospero Macht über die Geister, mit deren Hilfe er Rache an seinen Feinden nimmt. Von Ingrid Hammer mit der JugendTheaterWerkstatt Spandau inszeniert, wird Shakespeares „Sturm“ zur furiosen Komödie. Das junge Ensemble spielt mit Begeisterung und schauspielerischem Talent, wenngleich etwas mehr Sprechtraining gut getan hätte.
Im Vordergrund steht die Aktion, und hier zeigt besonders Ann-Marie von Löw als Ariel ihr koboldhaftes Können. Funktion und Charakter der Figuren werden durch ihre Kostüme phantasievoll skizziert: Prosperos Widersacher sind zwei sonnenbebrillte, schwarzgekleidete Mafiosi, die mit coolen Sprüchen Mordpläne schmieden. Ganz neuzeitlich unterhält Trinculo, der Hofnarr, seine Herrschaft mit Blondinenwitzen. Für noch mehr Lacher sorgt die immerfort Soave saufende Kellermeisterin Stefanie (Julia Schulz). Prospero (Michael Schmidt) ist hingegen zu flach geraten; sein despotisches Getobe läßt den Gesinnungswandel vom Rachsüchtigen zum großmütig Verzeihenden wenig plausibel erscheinen. Mehr Fingerspitzengefühl beweisen da Miranda (Alexandra Schwarnow), ganz süße Unschuld, und Ferdinand (Klaus Zehbe), der tolpatschige Liebende. Heide Walters Choreographie schafft einen gelungenen Rhythmus, der zwischen rasantem Tempo und Detailarbeit wechselt. Die richtige Mischung entsteht aber vor allem durch die siebenköpfige Percussionband. Ihr abwechslungsreiches Spiel gibt der Inszenierung erst die richtige Würze und verpflanzt das Stück in eine echt shakespearsche Zauberwelt: nach Utopia. Anne Winter
Shakespeares „Sturm“, noch heute sowie vom 8.-11.1., 19.30 Uhr, Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg
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