Endgültig out: Der Brutalo-Look

Die Landlust bundesdeutscher Städter hält an. Nicht immer muß es dabei gleich ein Bauernhof in der Uckermark oder ein Schäferhund im Schlafzimmer sein. Ein Stück natürliches Möbel tut's auch. Was nicht nur günstiger zu erwerben ist als ein Landhaus und garantiert besser riecht als ein Vierbeiner, sondern was zudem den Vorteil bietet, nicht gleich ganz der Stadt und seiner zweifellos vorhandenen Lieblingskneipe entsagen zu müssen.

Laut Bundesverband des Deutschen Möbelfachhandels stellen sich jedenfalls immer mehr Citybewohner Landhausstühle, -tische und -betten in die eigenen vier Wände. Ein Trend, der sich im Januar auf der internationalen Möbelmesse in Köln widerspiegeln wird. Kleiner Tip für jene, die nicht nur an Stadt-, sondern mitunter gleich an Landesflucht denken: Zum ersten Mal wird auch ein amerikanischer Küchenmöbelstand zu besichtigen sein.

„Darüber, was den Landhausstil eigentlich ausmacht, gibt es sehr unterschiedliche Auffassungen. Wir sprechen deshalb genauer von einer Massivholzwelle“, so Wilfried Wadsack, Pressesprecher des Verbandes. Vor sich hin plätscherte jene schon seit Jahren auch ohne die Möbelmacher. Das waren doch Zeiten, als hartnäckige Gegner von presspappenen Schrankwänden und Sitzecken wochenlang ihre ruhebedürftigen Nachbarn mit der Beseitigung von Lacken und Farben auf Großmutters altem Küchenschrank tyrannisierten! Omas Büffett paßte in den seltensten Fällen zwischen Herd, Spüle und Kühlschrank. Die Schleifmaschinenfabrikanten jedenfalls hatten Hochkonjunktur und die Ohropax-Hersteller auch. Jetzt sind die Möbelproduzenten an der Reihe.

Doch nicht der Hang nach mehr Beständigkeit oder der Wille, wenigstens beim Mobiliar der Wegwerfgesellschaft zu trotzen, weil heutzutage sowieso kein Spanplattenstück mehr als einen Umzug unbeschadet aushält, sind Ursachen für den Run auf die heimischen europäischen Hölzer. Verantwortlich für die Massivholzwelle ist nach Ansicht Wadsacks vor allem die wachsende Sorge der Käufer um ihre Gesundheit. „Das Formaldehyd in den Spanplatten hat hier seinen Beitrag geleistet.“ Pech für Billy und wie sie alle heißen – Grass wird fürderhin vor allem zwischen Fichten-, Buchen- und Kirschbaumbrettern zum Stehen kommen. Was ästhetisch betrachtet ein weites Feld ist.

Foto: Rahaus

„Es wird sehr viel von der materialgerechten Verarbeitung gesprochen“, sagt Wadsack. „Dabei geht der Brutalo-Look der letzten fünf, sechs Jahre, diese starken massiven Arbeitsplatten, zurück.“ Aufgelockerte Fronten, Rohrgeflechte, Rasterungen, helle, blonde Hölzer mit grazileren Füßen, aber ohne große Schnörkel – sie alle warten auf den Einzug in die ganz privaten Großstadtinseln.

Kathi Seefeld