: Zu wenig Milch
■ Boo Yaa T.R.I.B.E. wollen weg vom Haudrauf-Image. Doch das Management fordert harten HipHop von der Straße
SAMOA steht in fetten, altdeutschen, ziselierten Lettern quer über Rücken und Bäuchen. Tatsächlich sind die vier, Godfather, Gangsta Ridd, Monsta O und Kobra Konvict, nicht nur Freunde, sondern Brüder vor dem Herren, ihrem Vater, dem superstrengen Pastor, der sie das Fürchten und das Singen lehrte.
Boo Yaa T.R.I.B.E. sind ganz gewiß nicht die Band, die Bill Clinton als MTV-Soundtrack zum Präsidentschaftswahlkampf haben möchte: gewaltige Erscheinungen aus Los Angeles, ihre Musik pendelt von metalhart bis soulig. Mit ihrem Image, mehr Gang als Band zu sein, Waffen aus Notwendigkeit und Familienehre hochzuhalten, sind sie bekannt geworden. Hart, aber herzlich – und so konservativ, wie eine Familienband nur sein kann. Die Mama zu ehren und bis aufs Blut zu verteidigen – auf diesen Kodex können sich die Brüder schnell einigen.
In der Geschichtsschreibung, die aus ihren Texten und Interviews spricht, geht es vor allem um das Leben auf den Straßen Carsons, des Viertels von L.A., wo sich die Brüder als Kampfschultrainer und Gangmitglieder durchschlugen. Bis es ihren jüngsten Bruder erwischt hat. Da schworen sie erst Rache und brachten dann ihr Wummer-Album „Doomsday“ heraus. Jetzt wollen Boo Yaa T.R.I.B.E. dem Gangstersein den Rücken kehren – nur will das Management da nicht mitmachen.
Boo Yaa, nach dem Geräusch einer fliegenden 38er-Kugel benannt, werden von ihrem Manager als authentisches Ghetto-Erlebnis vermarktet. Sie selbst schmücken diese Geschichten bilderreich aus, nicht ohne immer wieder zu erwähnen, daß sie diese Zeit längst hinter sich gelassen haben. Als HipHop-Band verfolgen sie ein flexibles Konzept, das durch ihre umwerfende Live-Show bestätigt wird. Sie legen sich nicht auf Armeschwingen fest, sie stehen vorn und spielen ihre Instrumente. Und da sind sie auch heute noch in der HipHop-Welt eine ziemliche Ausnahme. „Wenn Gangster-Rap oder Rap insgesamt demnächst verboten wird, weil sie Angst vor der Musik und nicht vor der Realität haben, dann machen wir einfach Metal“, sagt Godfather, der Älteste, erleichtert. Überhaupt könnten sie ihre Musik, so Godfather, privat kaum ertragen. Er selbst höre nur Rhythm 'n' Blues. „Wenn man ein hartes Leben hat, dann muß man abends was anderes machen. Da will ich nichts von Knarren und Gangs hören, da will ich Liebe und Blumen und Mann- Frau-Lieder.“
Neben dem harten Kern stehen meist noch vier weitere T.R.I.B.E.- Kings auf der Bühne, die da heißen: Compton Gizz, King Folsom, Time Bomb und Murder One. Ganz eindrückliche Namen, die nicht nur den Umstand bezeichnen, daß die Jungs alle Muskelpakete sind. Es geht auch um Geschichten, die weniger CNN der Black Community als Mackie- Messer-Moritat der Ghettoisierten sind. Und im Augenblick von besorgten Schwarzen wie DeLores Tucker, der Vorsitzenden des National Political Congress of Black Women, wegen „Gewaltverherrlichung“ ebenso attackiert werden wie von Weißen, die in marginalisierten Bevölkerungsgruppen ohnehin noch nie etwas anderes sahen als Kriminelle. Tipper Gore ist seit Jahren schon damit beschäftigt, auf jedes Rap-Album-Cover einen Elternhinweissticker zu kleben, auf dem, wie auf der Kaba- Dose steht, was drin ist und was nicht gut für die Kinder ist: Zu viel Kakao, zu wenig Milch.
Doch obwohl das große Haudrauf-Image von Band wie Label in der Vergangenheit tüchtig vermarktet wurde, sind Boo Yaa T.R.I.B.E. damit lange nicht so berühmt geworden wie, sagen wir, IceT oder Coolio. Warum bloß? Gangsta Ridd hält die internen HipHop-Gemeinde-Strukturen für disfunktional: „Wenn die Schwarzen es noch nicht mal untereinander schaffen, sich zu helfen, sondern immer bloß Westcoast gegen Eastcoast, Ausverkauf an weiße Major Labels und und und, wie sollten sie dann mit Samoanern solidarisch sein. Da schlägt sich das Gesetz des Ghettos nieder: Sieh zu, daß es dir und deiner Familie gut geht, auch wenn das auf Kosten deines Nachbarn geht.“ Sein einschneidendstes Erlebnis hatte Ridd beim Versuch, mit seiner Frau und den Kindern nach Beverly Hills zu ziehen, weil die Kids nicht in Carson aufwachsen sollten: „Du kannst in Beverly Hills wohnen, und dennoch holen deine Nachbarn die Bullen, wenn du Besuch bekommst. Die schließen ihre Kinder weg, und du fühlst dich wie ein Schwerverbrecher. Sie glauben an die Rasse.“
Doch im Management von Mr. Alexander, wo Boo Yaa T.R.I.B.E. wieder gelandet ist, denkt man auch nicht gerade klischeefrei. Der zigarrenrauchende weißhaarige Mann schwärmt immer wieder von Krawallen rund um Boo Yaa: Wie sie beispielsweise in England eine Bar auseinandergenommen haben, nachdem Skins auf einen ihrer Tontechniker losgegangen sind. Im Hinterzimmer stellt ein 70jähriger auf einem Computer die gräßlichsten Plattencover der Welt her. Immer wenn von Schießereien und Bandenkriegen erzählt wird, wird er ganz aufgeregt und feuert sie an: „Ja! Boo Yaa, vor denen muß man Angst haben, das sind richtige Gangmitglieder! Da kann doch jeder Ice Cube und IceT einpacken.“
Dabei würden Boo Yaa gerade viel lieber von Konzerten und Songstrukturen reden. Und davon, daß sie auch in diesem Jahr eine Chance haben wollen. Monsta: „Alle wissen, wer wir sind, alle finden es unglaublich aufregend, 'ne Bühne voll mit riesigen Typen zu haben, die 'ne gute Show machen. Die Leute sollen sich unsere Musik anhören, dann merken sie, wieviel mehr wir sind als Gangster aus South Central.“
„Occupation Hazardous“, das aktuelle Album, erscheint übrigens in Deutschland unter Gangsta Ridds Namen – obwohl Boo Yaa T.R.I.B.E. drin ist. Ob ihnen ihr neues Image hilfreich ist? Eine selbstzerstörerische Gangsta- Band mit einer Ghettogeschichtsvermarktung à la „Dangerous Minds“ wäre dem Management (und den meisten KäuferInnen) wohl lieber. Vielleicht sollten sie Frau Pfeiffer fürs nächste Plattencover verpflichten. Annette Weber
Gangsta Ridd & The Otha Side (= Boo Yaa T.R.I.B.E.): „Occupation Hazardous“ (Intercord)
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