Bankrottes Land verschenkt Millionen

■ Landeseigene Datenleitungen werden am Parlament vorbei privatisiert. Berlin entgehen dadurch Millionengewinne

Der Senat verspielt gerade eine lukrative Einnahmequelle. Denn die Privatisierung eines Teils des landeseigenen Daten- und Telefonnetzes steht kurz bevor. Die Berlin Net GmbH, die die Leitungen vermieten soll, wird demnächst ins Handelsregister eingetragen. Das Land Berlin will sich mit weniger als 50 Prozent an der neuen Gesellschaft begnügen. Die Mehrheit könnte nach dem gegenwärtigen Stand die Firma BB- Data, eine Tochter der Bankgesellschaft Berlin, erhalten.

Damit würde auch die Mehrheit des Gewinns aus der Vermietung der Leitungen an den Bank-Ableger fließen. Der Senat fädelt dieses Geschäft in einer Zeit ein, da dem Land jährlich 6 Milliarden Mark in der Kasse fehlen. Das Landesamt für Informationstechnik hat bislang rund 250 Kilometer Glasfaserleitungen in die Berliner Erde verlegt.

Durch die fingerdicken Kabel des sogenannten Metropolitan Area Network (MAN) passen gigantische Datenmengen: pro Sekunde 2,5 Gigabit oder die Informationen von rund 16.000 Schreibmaschinenseiten. Behörden und Universitäten nutzen nur einen geringen Teil der Netzkapazität für Telefone und Computerkommunikation.

So entstand die Idee, 40 Prozent der Leitungen an Industrieunternehmen und andere Großkunden zu vermieten und dafür Benutzungsgebühren zu kassieren. Das Landesamt will die Drähte in die Zukunft jedoch nicht selbst vermarkten, sondern sie in eine private Gesellschaft einbringen, an der Berlin nur eine Minderheitsbeteiligung halten soll. Begründung: In einer überwiegend landeseigenen Gesellschaft sei man bei der Personalauswahl an die Grenzen des Bundesangestelltentarifs (BAT) gebunden.

Für die im BAT festgelegten Löhne bekomme man aber keine guten Leute aus der Privatwirtschaft, die das entsprechende Know-how mitbrächten – obwohl in der höchsten Vergütungsgruppe immerhin rund 10.000 Mark brutto pro Monat gezahlt werden.

Arnold Krause, Haushaltsexperte von Bündnis 90/Die Grünen, läßt das Argument der angeblich zu niedrigen BAT-Löhne nicht gelten. Man sei nicht unbedingt darauf angewiesen, SpezialistInnen von außen anzuwerben. Auch MitarbeiterInnen der Berliner Verwaltung könnten sich das notwendige marktwirtschaftliche Wissen aneignen. Und wenn man schon einen Privatmanager nehmen müsse, biete die Verwaltungsreform mittlerweile genügend Spielraum, das Gehalt in Einzelfällen über den Tarif hinaus zu erhöhen.

Krause plädiert deshalb dafür, daß sich das Land auf jeden Fall den Mehrheitsanteil an der Berlin Net GmbH sichern soll. Damit fließe dann später auch der größte Teil des Gewinns in die Kasse des Landes. Die möglichen Einnahmen dürften in den kommenden Jahren beträchtlich sein, ist Krause überzeugt. Eine der Berlin Net ähnliche Firma in Köln plant mittelfristig einen jährlichen Umsatz von 30 Millionen Mark ein.

Der Berliner Markt der Telekommunikations-Dienstleistungen, so schätzt Arnold Krause, bietet noch wesentlich bessere Aussichten. Das Landesamt für Informationstechnik ist demgegenüber vergleichsweise bescheiden. Man will sich einstweilen damit begnügen, die etlichen Millionen Mark, die der Aufbau des Datennetzes gekostet hat, durch die Vermietung wieder hereinzuholen. So wurden der Berlin Net GmbH bereits ein paar Leitungen zum Selbstkostenpreis überlassen, damit die Vermarktung beginnen kann. 1996 will das Landesamt dadurch eine Million Mark an Einnahmen verbuchen.

Bei der Gründung der Berlin Net legen Senat und Bankgesellschaft gegenwärtig Eile an den Tag – und übergehen damit das Abgeordnetenhaus. Dessen Unterausschuß für Kommunikations- und Informationstechnik hatte sich im September 1995 ausbedungen, über die Vermarktung der Glasfasern noch einmal zu beraten, bevor Fakten geschaffen werden. Eine Sitzung des Ausschusses hat aber bisher nicht stattgefunden. Hannes Koch