Nixon, Stone etc.
: Was vom Präsidenten blieb

■ Oliver Stone hat sich mit „Nixon“ wieder ins Schußfeld katapultiert – manche nennen ihn „Amerikas Riefenstahl“

Während Siegfried Kracauer noch darauf insistieren mußte, daß ein ernstzunehmender Filmkritiker nur als Gesellschaftskritiker denkbar sei, ist heutzutage sogar Newsweek klar, daß das Gegenteil ebenso gilt. Wer heute etwas über die sechziger Jahre Amerikas wissen will, kommt nicht ohne Oliver Stones Filme aus. Während „Platoon“ oder „Born on the Fourth of July“ den einfachen GI und Veteranen rehabilierten, entlastete sein „JFK“ den Vietnamkriegs-Präsidenten, indem er ihn als Opfer einer rechtsradikalen Südstaatlerverschwörung porträtierte.

Nun hat Stone sich, wie berichtet (taz vom 22. 12. 95), JFKs Counterparts angenommen: Vergangene Woche startete sein neuer Film „Nixon“, und prompt verglich man ihn in Talkshows mit Leni Riefenstahl, Nixons Familie wedelte mit dem Anwalt. Newsweek widmete ihm eine (wohlwollende) Titelgeschichte.

Oliver Stone war selbst ein engagierter Unterstützer von Nixon, bis er nach Vietnam geschickt wurde. Die Verlängerung des Einsatzes hat er ihm, wie er Variety erzählte, lange nicht verzeihen können. Überraschenderweise wirkt der Film aber, glaubt man den ersten Besprechungen, wie ein hart erarbeitetes Stück Identifikation mit dem Aggressor. Was Nixon zu Fall brachte sind, wenn es nach Oliver Stone geht, keineswegs die zwei Heldenreporter aus „All the President's Men“, sondern das Produkt einer großen Dunkelmännermaschine (derselben, die schon JFK verschluckte; die einfache Jungs nach Vietnam schickte; und derselben, die Jim Morrison meinte, als er sang „They've got the guns, we've got the numbers“).

Anthony Hopkins war der richtige Mann für das Projekt; Stone wollte, daß er die Isolation und verdrückte Rage aus „Was vom Tage übrigblieb“ für Nixons einsame Tiraden hinterm Whiskeyglas reproduzierte. (Darin folgt er Robert Altmans hierzulande nahezu unbekanntem Nixon-Porträt „Secret Honor“ von 1984.) Ständig wird Stones Nixon von der Vorstellung heimgesucht, er verdanke seine Karriere dem Tod: Zuerst dem seiner beiden Brüder, die so jung starben, daß seine Eltern ihr Mittelstandsgehalt gänzlich in seine Ausbildung investieren konnten. Und dann natürlich dem seines Haßobjekts, des schönen Ostküsten-Upper-class-Mannes John F. Kennedy. Öffentliches Ärgernis hat vor allem Stones Suggestion hervorgerufen, Nixon sei in den Sechzigern an einem Plot gegen Fidel Castro beteiligt gewesen, der außer Kontrolle geraten sei und schließlich zur Ermordung Kennedys geführt habe.

Nachdem er zwei seiner letzten Projekte in den Sand setzte – ein Musical über Evita Peron mit Madonna und ein Porträt von Manuel Noriega – hatte Stone Schwierigkeiten, Geldgeber für „Nixon“ zu finden, bis zur Woche vor Drehbeginn. Schließlich landete „Nixon“ bei Disneys Hollywood Pictures. Gerade rechtzeitig für einen Wahlkampf von Leuten wie Buchanan oder Gingrich, dem es sicher eine pikante Note verleihen wird, wenn ein Hardliner so sanft als Paranoiker demontiert und als capraesker Held liebevoll wieder zusammengeflickt wird. mn