■ Die Telekom-Privatisierung braucht mehr als die Börse
: Unternehmenskultur

„Sie müssen die weitere Verzögerung verstehen, die Kosten. Mit Ihrem Anschluß wird es 1996 leider nichts werden.“ Dieser kleine Auschnitt aus einem aktuellen Gespräch mit Telekom-Planern in Ostdeutschland beleuchtet das Kernproblem des größten Telekommunikations-Unternehmens in Europa – die Unternehmenskultur. Die Telekom ist nach wie vor eine Behörde, der ihre Kunden lästige Kostentreiber sind. Sie beschäftigt zu viele Mitarbeiter an den falschen Stellen. So bleibt es für Kunden schwierig und langwierig, einen Telefonanschluß oder auch nur eine Auskunft zu erhalten. Die vor Jahren beschlossene Privatisierung der Behörde Telekom könnte viel Sinn machen: Geld in die leere Staatskasse und mehr Kundenorientierung des Unternehmens Telekom.

Eine solche Privatisierung braucht jedoch drei Dinge: Eine Konkurrenz von außen – sie zwingt die Telekom, sich um die ihr wichtigen Kunden zu bemühen. Sie könnten schließlich, wenn sie einmal die Wahl haben, abwandern. Eine Umstrukturierung nach innen – diese sichert mehr Zufriedenheit in der Telekom-Gemeinde und damit letztlich Umsatz sowie Jobs. Wenn aus wasserköpfigen Verwaltungen Kundendienstcenter werden, wenn Info-Hotlines ausreichend besetzt und Fernmeldetechniker, wo nötig, bei Fremdfirmen geheuert werden, hat die neue Telekom am Markt die größten Chancen. Schließlich eine intelligente Regulierung – sie sichert einer funktionierenden Telekom Gewinne und den Kunden, die weder die Telekom noch ihre potentiellen Konkurrenten attraktiv finden, trotzdem den Service.

Die Konkurrenz kommt ganz sicher. Doch nach der Gebührenerhöhung beschleicht auch den wohlwollenden Telekom-Kunden der Verdacht, daß die innere Reform sowie die Fähigkeiten der politischen Regulatoren mit dem Privatisierungstempo nicht mithalten. Empfohlen sei auch im Sinne der Arbeitsplatzsicherung bei Telekom deshalb ein wenig Nachhilfe in den USA: Die Telefongesellschaft South Western Bell in Texas hat für Ortsgespräche schon vor Jahren gar keine Rechnung mehr ausgestellt. Die genaue Berechnung der Ortsgebühren war kostspieliger als die Umrechnung auf (im übrigen niedrige) Grundgebühren. Und Konkurrent US WEST droht jetzt im Bundesstaat Washington die Verpflichtung, jedem Kunden, der nicht zügig einen Anschluß bekommen hat, kostenlos ein Funktelefon zur Verfügung stellen zu müssen. Solche Unternehmen und Kontrolleure wären auch hierzulande populär. Hermann-Josef Tenhagen