Ein Ende der Gefangenenmeuterei ist nicht in Sicht

■ Führende Juristen machen den türkischen Staat für die Revolte verantwortlich. Weiter Solidaritätsaktionen in Deutschland – türkischer Attaché wieder frei

Ankara/Bonn/Mainz (dpa/ AFP) – Die größte Häftlingsrevolte in der Geschichte der Türkei geht weiter. In zwei Sondergefängnissen für politische Häftlinge in Istanbul und in Izmir hielten die Gefangenen am Wochenende weiterhin drei Justizbeamte und 26 Wärter als Geiseln, die sie am Donnerstag in ihre Gewalt gebracht hatten. Vermittlungsversuche von Rechtsanwälten waren zuvor fehlgeschlagen. In Istanbul wurden bei Demonstrationen gegen die Ereignisse in den Gefängnissen erneut Dutzende Angehörige und Sympathisanten festgenommen. Führende türkische Juristen und Menschenrechtler forderten gestern die Sicherheitskräfte zum Gewaltverzicht in den Gefängnissen auf und machten den Staat für die Häftlingsrevolten verantwortlich. Aktueller Anlaß für die Unruhen war am Donnerstag ein Häftlingsaufstand im Umraniye-Gefängnis von Istanbul aus Protest gegen die Haftbedingungen und gegen das Ausbleiben versprochener Verbesserungen. Bei der Niederschlagung der Revolte waren drei Häftlinge getötet worden. In rund 600 türkischen Gefängnissen sind nach Angaben des Justizministeriums rund 51.000 Häftlinge untergebracht, obwohl der Platz nur für 30.000 ausgelegt ist. Rund 9.000 Menschen sind aus politischen Gründen inhaftiert. Angehörige der Verletzten berichteten, die Polizei sowie die Gendarmerie schlage die in den Krankenbetten liegenden Häftlinge.

13 Festnahmen wegen Besetzung in Mainz

Aus Protest gegen das Vorgehen der Behörden in der Türkei haben Unbekannte am Wochenende erneut Anschläge auf türkische Einrichtungen in Deutschland verübt. Verletzt wurde dabei niemand. In der Nacht zu gestern warfen Unbekannte nach Polizeiangaben in Hamburg Molotowcocktails und Steine gegen ein Büro des Koordinierungsverbandes Türkischer Vereine in Schleswig-Holstein und Hamburg sowie ein türkisches Reisebüro. In Berlin hatten Unbekannte in der Nacht zum Samstag einen Brandanschlag auf ein türkisches Reisebüro verübt. An verschiedenen Tatorten gefundene Flugblätter ließen eine Verbindung zu den Ereignissen in der Türkei vermuten. In Mainz wurden gestern 13 Besetzer des Büros des türkischen Arbeitsattachés in Untersuchungshaft genommen. Das teilte die Polizei mit. Die Besetzung des Büros war in der Nacht zum Samstag nach zehn Stunden unblutig zu Ende gegangen. Die Besetzer hatten seit Freitag mittag den türkischen Diplomaten aus Solidarität mit der Revolte in der Türkei festgehalten. Der Attaché erlitt einen Schock.