Videos und Unterwäsche

■ Begehrte Firmenpräsente: Geldstrafe für Postbediensteten, der sich an fremder Leute Werbegeschenke heranmachte Von Nele-Marie Brüdgam

Im Nachtdienst sei es nicht so schwierig, ab und an mal was mitgehen zu lassen, hat Holger E. während eines Verhörs gesagt. Haufenweise gestohlene CDs, Videos, Armbanduhren und auch Unterwäsche hatte die Polizei in der Wohnung des Postbediensteten gefunden. „Und warum haben Sie das nun getan?“, fragt die junge Richterin am Altonaer Amtsgericht. „Weiß ich nicht“, sagt der Angeklagte schüchtern.

Neben den drei Juristinnen – Richterin, Staatsanwältin, Verteidigerin – wirkt der 31jährige E., verheiratet, zwei Kinder, kaum wie ein gestandener Familienvater. Eher wie ein Halbstarker, der sich schämt und ansonsten nichts so recht mit sich anzufangen weiß. Zusammengesunken, den Kopf zwischen den Schultern, sitzt er da: „Ich hab eben dummes Zeug gemacht, und nun muß ich da durch.“ Richterin und Staatsanwältin tadeln E. nicht gerade im Brustton der Überzeugung. Mütterliche Milde? Aber vielleicht ist ihnen der Fall auch einfach nicht wichtig genug.

Wie seine ebenfalls angeklagten Kollegen hat E. Postsendungen geöffnet, herausgenommen, was er gebrauchen konnte, und den Rest vernichtet. Wenn nichts Interessantes dabei war, verschloß er die Sendungen wieder. Anfang 1995 wurde dies von einer Videokamera minutiös aufgezeichnet. Darauf folgte die Anklage in 15 Fällen: Verletzung des Postgeheimnisses, Diebstahl. Auch dadurch, daß er Kollegen bei gleichem Tun beobachtet hatte, ohne sie zu verraten, machte E. sich strafbar.

Der Angeklagte ging mit Prinzip vor: Nur Werbesendungen hat er geöffnet, von denen er annahm, daß ihr Verlust niemandem weh tun würde. Auf Geld war er nicht aus, und er öffnete auch keine besonderen Sendungen wie zum Beispiel Einschreiben. Nach und nach kam trotzdem einiges an Diebesgut zusammen. Die Diebstähle, die nicht auf Video aufgezeichnet wurden, waren aber gestern nicht Gegenstand der Anklage.

„Da haben Sie sich wohl von den Kollegen mitreißen lassen“, sagt die Richterin verständnisvoll. Und die Staatsanwältin erkennt sein Geständnis als strafmildernd an, „obwohl Ihnen ja auch nichts anderes übrig blieb!“ Weil er sich, nachdem die Post ihm die Stelle gekündigt hatte, gleich eine neue Arbeit gesucht hatte, habe er guten Willen gezeigt, sich vernünftig um seine Familie zu kümmern. Und da Kinder Geld kosten und nicht mitbestraft werden sollen, weil E. bisher nicht straffällig war und ihm kein negativer Eintrag im Führungszeugnis die Zukunft verbauen soll, fällt die Strafe relativ gering aus.

Holger E. muß 90 Tagessätze a 60 Mark zahlen, also insgesamt 5400 Mark. „Das ist viel Geld,“ sagt die Richterin. „Aber Sie kommen damit sehr gut weg. Immerhin haben Sie den Empfängern der Sendungen einen ärgerlichen Schaden zugefügt!“