Karstadt fliegt Fische aus Island ein

■ Kaufhaus-Konzern unzufrieden über Bremerhavener Fischerei-Industrie / „Bremerhaven nicht gefährdet“

Frisch ist dem Kaufhaus-Konzern Karstadt nicht mehr frisch genug. Seit Ende Dezember läßt Klaus Uhlendorf, Einkaufsleiter Fisch und Delikatessen für Karstadt und Hertie, Rotbarsch und Kabeljau direkt aus der isländischen Hauptstadt Reykjavik einfliegen. Die „katastrophalen Ergebnisse“ der Untersuchungen von Stiftung Warentest hätten diesen Schritt erforderlich gemacht. Die Verbraucherschutz-Initiative hatte herausgefunden, daß die meisten Seefische im Handel bakteriologisch bedenklich sind.

„Bis die Verhältnisse sich bessern“ will Uhlendorf den Fisch per Iceland-Air einfliegen lassen (siehe Interview). Die Transportmaschinen bringen die Rotbarsch- und Kabeljaufilets nach Luxemburg. Dort werden sie auf Laster verladen und nach Bremerhaven gekarrt. In Bremerhaven werden die Fischfilets erneut ausgeladen, neu verpackt und zusammen mit anderen Fischen wieder auf Lkw verladen. Erst dann werden sie zu ihrem Bestimmungsortgefahren. Egal ob Hamburg oder Stuttgart, Berlin oder Düsseldorf.

„Sie haben den Fisch so innerhalb von fünf Tagen nach dem Fang auf dem Tisch“, verspricht Uhlendorf. Dann sei er frisch. „Mich interessiert doch nicht das Filetierdatum, sondern das Fangdatum“, sagt der Mann aus der Konzernzentrale aus Essen. Das interessiert Reinhard Meiners, Geschäftsführer der Fischereihafen Betriebs- und Entwicklungsgesellschaft (FBEG) in Bremerhaven, kaum. Der Fisch verliere nämlich nicht an Geschmack während der Zeit zwischen Fang und Filetierung, sondern nach der Bearbeitung bis zum Verzehr. Wenn der Fisch enthäutet ist, liegt das Fleisch offen und Bakterien haben eine bessere Angriffsfläche. Untersuchungen der Bundesforschungsanstalt hätten ergeben, daß sich Fische am besten frisch halten, wenn sie so spät wie möglich zerlegt werden.

„Was micht richtig ärgert“, sagt Meiners, „ist, daß Karstadt den Kunden vormacht, daß die Fischer vor Island jeden Tag ihren Fang an Land bringen“. Die Kaufhaus-Kette verteilt seit Weihnachten Faltblätter an ihre KundInnen. Darin suggeriert das Unternehmen, daß kleine Kutter im Morgengrauen auf das weite Meer rausfahren, Rotbarsch und Kabeljau fangen und am Ende eines Tages ihre Beute an Land bringen, damit deutsche Karstadt-KundInnen täglich frischen Fisch haben. Aber auch die Isländer fahren mit großen Trawlern auf See, fischen rund zehn Tage lang in tiefem Gewässer. Denn weder Rotbarsch noch Kabeljau leben in flachen Küstengewässern.

Nachteile für die Bremerhavener Fischindustrie sieht Meiners nicht. „Karstadt ist nur einer von vielen Kunden – mit dem steht und fällt nichts“, sagt er. Arbeitsplätze seien erst gefährdet, wenn andere Großkunden nachziehen. Die isländischen Fischer hätten allein im vergangenen Jahr 91 Prozent des in Bremerhaven auktionierten Fisches angelandet. Die Stadt sei erst bedroht, wenn das „System der Fischverarbeitung nachhaltig auseinanderbricht“.

Karstadt hat von der Filetierung auf Island neben der vermeintlichen Frische einen weiteren Marketing-Vorteil. Der Fisch werde in Island doppelt filetiert und sei somit völlig grätenfrei. „Sie glauben ja gar nicht, wieviele Menschen früher keinen Fisch gegessen haben, wegen der Gräten“, sagt Uhlendorf. Und alle diese Menschen kaufen nun auch noch Fisch. ufo