Gehaltskürzungen schloß Diepgen aus

Der Regierende Bürgermeister will beim Angriff auf das Tarifrecht im öffentlichen Dienst nicht vorauseilen. Freiwillige Arbeitszeitsverkürzung angeregt  ■ Von Dirk Wildt

In den bundesweit anstehenden Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst soll Berlin keine Vorreiterrolle übernehmen. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) bezeichnete gestern „eine generelle Abkoppelung“ von bundesweit geltenden Tarifverträgen als „problematisch“. Berlin gehört bereits nicht mehr der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) an, weil Beschäftigte im öffentlichen Dienst im Ostteil besser bezahlt werden als in den anderen ostdeutschen Bundesländern.

Zwar kündigte Diepgen an, daß bis 1999 von den 174.000 Stellen in der Verwaltung, in Schulen, bei Polizei und Feuerwehr nur dann nicht mehr als 18.000 Stellen gestrichen werden müssen, wenn „weitere Mittel greifen“. Außerdem soll es weiterhin Neueinstellungen geben.

Unter anderem könnten Arbeitsplätze erhalten werden, wenn die Arbeitszeit verkürzt und mehr Teilzeitstellen eingerichtet werden. Frei werdende Stellen im höheren und gehobenen Dienst sollen deshalb „rege“ als Teilzeitstellen ausgeschrieben werden. Diepgen plädierte darüber hinaus für eine freiwillige Reduzierung von Arbeitszeit: „Ich bezweifle, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmervertreter entscheiden können, du arbeitest nur noch die Hälfte.“ Wieviel Mitarbeiter im öffentlichen Dienst ihre Arbeitszeit verkürzen müssen, damit nicht mehr als die 18.000 Stellen gestrichen werden, vermochte Diepgen gestern nicht zu sagen.

Eine Arbeitszeitverkürzung mit entsprechender Gehaltskürzung schloß Diepgen selbst für höhere Gehaltsgruppen aus. Denn selbst die oberen Gehaltsgruppen seien so niedrig, daß sich dann Familienväter oder alleinerziehende Mütter bereits an die Sozialhilfe wenden müßten. Selbst Doppelverdienern in höheren Lohngruppen könnte man keine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich zumuten. Über „intelligente Einsparungen“ müsse intensiver nachgedacht werden, in die Öffentlichkeit seien bislang kaum mehr als Schlagworte getragen worden.

Diepgen lehnte eine Vorreiterrolle Berlins in den Tarifauseinandersetzungen nicht nur aus sozialen Gründen ab. Jeder von Berlin allein und nicht mit allen Bundesländern gemeinsam ausgehandelte Tarifvertrag berge das Risiko von Arbeitskämpfen, sagte Diepgen. Berlin wolle dennoch bei Änderungen des Tarif- und Beamtenrechts aktiv werden. Er nehme an, daß Berlin Empfehlungen abgeben werde, die über die Vorschläge anderer Länder hinausgehen.

Falls die Koalition mit diesen Vorschlägen ihr Ziel nicht erreichen kann, die Personalkosten von heute 15 Milliarden Mark auf dauerhaft 14 Milliarden Mark jährlich zu reduzieren, sollen dennoch nicht mehr Schulden gemacht werden. Diepgen betonte, daß Berlin den Fusionsvertrag „voll einhalten“ werde. Dort ist festgehalten, daß Berlin den Schuldenberg von heute 50 Milliarden Mark bis 1999 auf nicht mehr als 70 Milliarden Mark anwachsen lassen darf.