■ Deutsch-japanische Wirtschaftsbeziehungen in Gefahr
: Heller Schnaps in feuchten Tüchern

Tokio (taz) – Eigentlich war der Fusionsvertrag zwischen dem deutschen Baggerhersteller und der japanischen Baumaschinengesellschaft unterschriftsreif. Doch als Volker Klein, Manager bei „Weser-Bagger“, am Morgen nach dem Geschäftsessen erneut mit seinen Tokioter Kollegen zusammentraf, erklärten die sämtliche Geschäftsbeziehungen für abgebrochen. Was war geschehen?

„Herr Klein hat sich furchtbar benommen“, stellt Toshi Tanaka fest. Der zweite Geschäftsführer der Domoto-Handelsgruppe bekommt „noch heute eine Gänsehaut“, wenn er an den Abend mit Volker Klein denkt. „Wir hatten ein schönes Essen“, erzählt er, „und sind dann noch mit unserem Gast in eine Karaoke-Bar gegangen.“ Hier ging zunächst noch alles glatt. Tapfer nahm Volker Klein ein Mikrofon in die Hand. Aus der Wirtschaftswoche (1/96) wußte er, daß eine Gesangsnummer zum guten Ton gehört, selbst wenn man ihn nicht trifft. Klein sang „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und als Zugabe „Lili Marleen“. Doch als er im Anschluß an seine gelungene Darbietung mit den neuen Geschäftsfreunden anstoßen sollte, nahm das Verhängnis seinen Lauf.

Toshi Tanaka fächelt sich kurz etwas Luft zu. „Es war grauenhaft“, sagt er. „Herr Klein hatte erst drei Schnäpse mit uns getrunken, als er plötzlich begann, sich sehr unmanierlich zu benehmen.“ In der Tat: Klein orderte „Unmengen von Wasser und Fruchtsaft“ sowie eine Coca-Cola, „mit der er heimlich gurgelte“, schüttelt sich Toshi Tanaka. Als der nächste Toast ausgesprochen wurde, schwenkte Klein sein Glas so wüst über dem Tisch, daß er gleich drei Domoto-Mitarbeiter auf einmal bekleckerte. „Und dann“ – Toshi Tanaka ist bemüht, den aufkommenden Ekel zu unterdrücken – „spuckte und sabberte Herr Klein.“

Überraschenderweise bestätigt Baggerverkäufer Klein die Darstellung seines ehemaligen Geschäftspartners. Ja, er habe ganz genau drei Schnäpse getrunken, sagt er. Den Tip habe er ebenfalls aus der Wirtschaftswoche. Man solle die ersten drei, vier Schnäpse mittrinken, habe es dort geheißen, um keinen Argwohn bei den Gastgebern zu erwecken. Auch danach habe er sich weiter an die Wirtschaftswoche gehalten und mindestens zwei, am besten drei alkoholfreie Getränke wie Wasser, Cola oder Fruchtsaft bestellt. An diesen Gläsern habe er eifrig genippt, bis sie jeweils nur noch zu zwei Dritteln gefüllt waren.

Inzwischen, fährt Volker Klein fort, sei eine neue Runde Schnäpse serviert worden. Den Rat der Wirtschaftswoche beherzigend, habe er sein Glas erhoben und möglichst oft und mit heftigen Schwenks nach links und rechts angestoßen. Die Zeitung habe völlig recht: Das wirke nicht nur herzlicher, man könne so tatsächlich ein gut Teil des Alkohols verschütten. Brachte der deutsche Gast also während des gesamten Abends die Trinksprüche aus? Volker Klein winkt ab. „Viel zu auffällig.“ Nein, deshalb habe er ja „die Nummer mit den Säften abgezogen“. Die Wirtschaftswoche habe da noch einen „klasse Trick auf Lager“ gehabt. Man schlucke die Schnäpse nicht, sondern tue so, als ob man mit einem Erfrischungsgetränk nachspüle und spuckt die Alkoholika ins passende Glas. „Dunkle Schnäpse in die Cola, Liköre in den Saft“, zitiert Volker Klein seinen Ratgeber. Die hellen Schnäpse könne man sogar an zwei Stellen loswerden, nämlich im Mineralwasser und in den feuchten Tüchern für Hand und Gesicht neben dem Teller. Auf diese Weise sei es ihm gelungen, so Volker Klein, „quasi völlig nüchtern“ zu bleiben und „den allerbesten Eindruck“ in Tokio zu hinterlassen. Was immer die Domoto-Gruppe zum Rückzug aus dem Geschäft bewegt habe, sein Verhalten könne es nicht gewesen sein. „Ich bin doch nicht blöd und betrinke mich auf der Arbeit.“ Carola Rönneburg