Massenfestnahme in der Türkei

■ Häftlingsrevolte weitet sich aus. Bei der Beerdigung von zwei Gefangenen wurden 1.000 Menschen inhaftiert

Istanbul (taz) – Die Häftlingsrevolte in der Türkei hat sich auf neun weitere Gefängnisse ausgeweitet. Wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, nahmen in der nordtürkischen Stadt Bartin in der Nacht etwa 20 Häftlinge neun Wärter und den Gefängnisdirektor als Geiseln. Am Morgen ließen sie zunächst drei Wärter frei. In anderen Orten traten Gefangene in den Hungerstreik.

Zu einer Massenfestnahme kam es gestern bei der Beerdigung der beiden politischen Häftlinge Riza Bozbaș und Orhan Özen, die vergangene Woche im Istanbuler Gefängnis Ümraniye zu Tode geprügelten worden waren. Die Istanbuler Polizei hatte weiträumig die religiöse Stätte der Alewiten in Alibeyköy, von wo aus der Beerdigungszug starten sollte, abgeriegelt. Sie nahm jeden fest, der an der Beerdigung teilnehmen wollte und in die Nähe der Polzei kam: Schätzungen zufolge waren es fast 1.000 Menschen – eine Rekordzahl selbst für türkische Verhältnisse. Der Sarg von Bozbaș wurde von der Polizei „entführt“ und klammheimlich beerdigt.

Unterdessen sind Verhandlungen zwischen dem obersten Leiter der türkischen Strafanstalten, Zeki Güngör, und den Häftlingen gescheitert. Güngör forderte die Freilassung der Geiseln, während die Häftlinge die Bestrafung der Verantwortlichen verlangten. Aus Protest gegen das Vorgehen des Militärs reichte Güngör seinen Rücktritt ein. Ömer Erzeren Seiten 9 und 10