■ Nachgefragt: „Anachronismus PDS“
Der Bremer Hochschullehrer Harald Werner ist Mitglied im Bundesvorstand der PDS. In einem Brief an seine 17 Vorstands-Kollegen hat er sich Ende vergangenen Jahres bitter über mangelnde politikfähigkeit und Zusammenarbeit zwischen West- und Ostdeutschen in der Partei beklagt.
taz: Werden die westdeutschen Mitglieder im PDS-Bundesvorstand schlecht behandelt?
Harald Werner: Nein, aber es ist doch relativ schwierig im Westen zu verstehen, was im Osten mit der Linken passiert und umgekehrt. Und daraus entstehen eine ganze Reihe von Problemen.
Die Westler haben mir ihren Wahlergebnissen auch in Bremen die Ostler sicher nicht gerade davon überzeugt, daß sie die richtigen Konzepte haben.
Es liegt nicht an den Konzepten. Man kann den Zeitgeist nicht einfach mit Geld oder Konzepten übergehen. Nicht erst seit 89, schon seit Anfang der 80er Jahre stecken die linken Parteien und Gewerkschaften in Westeuropa in einer tiefen Krise.
Und die holt die PDS jetzt ein?
Nein, das eben nicht. Die PDS ist ein Anachronismus. Im Osten, weil er in den Westen importiert worden ist, und im Westen, weil es keine Zeit ist, in der man eine linke Partei gründen kann.
Und warum engagieren Sie sich in diesem Anachronismus?
Wenn man davon ausgeht, daß diese Welt nach wie vor verdient, verändert zu werden, dann muß man sich in irgendeiner Art und Weise dafür engagieren. Und das tut man mit Leuten zusammen, von denen man glaubt, daß man am weitesten mit ihnen übereinstimmt. Für uns war die PDS von Anfang an ein Projekt, von dem wir gesagt haben: Mal sehen, was draus wird. Es geht vor allem darum, die Leute zusammenzuhalten, die sich auf die PDS beziehen.
Ich denke, in Bremen ist die PDS noch am weitesten vorangekommen, weil es eine sehr enge Zusammenarbeit mit Sachsen-Anhalt gibt. Davon profitieren beide Seiten.
Was muß sich im PDS-Bundesvorstand ändern?
Wir müssen wesentlich politiknaher arbeiten und uns um das kümmern, was aktuell läuft. Zum Beispiel das Bündnis für Arbeit, das Zwickel vorgeschlagen hat: Da sind wir häufig zu unkonkret. Und wir müssen unsere Öffentlichkeitsarbeit verbessern.
Ein ideologischer Konflikt steckt nicht hinter der Auseinandersetzung im PDS-Bundesvorstand?
Nein. Die kommunistische Plattform ist nicht mehr vertreten. Und hinter ideologischen Auseinandersetzungen stecken ja meistens Sachfragen...
...oder Personalfragen.
Ja, persönliche Animositäten. Aber die Probleme, die wir in diesem Bereich haben, sind normal wie in anderen Gremien auch.
Ich sehe ein ganz großes Problem darin, daß wir wesentlich professioneller werden müssen.
An der Politik muß sich nichts ändern, aber sie muß besser verkauft werden?
An der Politik muß sich natürlich auch einiges ändern. Ich würde mir wünschen, daß sich die PDS ein bißchen mehr um Gewerkschaftspolitik kümmert. Aber das ist auch nicht nur eine Frage des Vorstands.
Muß die PDS jetzt nicht eigentlich SPD und Grünen ein verlockendes Angebot für die Zusammenarbeit machen?
Wir können zur Zeit kein Angebot für den Sturz der Regierung machen. Die Frage ist auch, ob die anderen überhaupt wollen, da muß die Zeit erstmal heranreifen. Damit wir als Partner in Frage kommen, müssen wir in manchen Dingen klarer werden.
Fragen: Dirk Asendorpf
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