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Mit dem Feind zurück zur Freiheit

Severo Moto, exilierter Oppositionschef von Äquatorialguinea, träumt von Demokratie mit Hilfe der alten Kolonialmacht. Die will aber nichts davon wissen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Severo Moto erinnert sich gut an den alten Saal. Einst beherbergte er das geräumige Kino „Marfil“ im Zentrum Malabos, der Hauptstadt von Äquatorialguinea, in dem sich die spanischen Kolonialherren vergnügten. Heute sitzen dort Militärs über all jene zu Gericht, die der Verschwörung gegen Staatschef Teodoro Obiang angeklagt sind.

Im April 1995 erwischte es Severo Moto selbst. Zusammen mit einer Reihe zweitrangiger Militärs habe er einen Putsch vorbereitet, so die Anklage gegen den 52jährigen Vorsitzende der christdemokratischen „Partido del Progreso“ (Fortschrittspartei). 28 Jahre Haft lautete schließlich das Urteil. Es hagelte Proteste aus Spanien und Frankreich. Moto wurde drei Monate später begnadigt. Seither lebt er in Madrid.

Beim ersten Prozeß im altehrwürdigen Lichtspielhaus, im August 1979, hatten Frankreich und Spanien voller Hoffnung auf Staatschef Teodoro Obiang geschaut. Der junge Militär war wenige Wochen zuvor durch einen Staatsstreich gegen seinen eigenen Onkel Francisco Macias Nguema an die Macht gekommen. Nguema, der das kleine afrikanische Land 1968 in die Unabhängigkeit geführt hatte, wurde wegen Mordes an 25.000 Landsleuten zum Tode verurteilt. Obiang versprach Demokratie. Die 160.000 Flüchtlinge, ein Drittel der Bevölkerung Äquatorialguineas, kehrten zurück. Die politischen Häftlinge im Militärgefängnis „Black Beach“ wurden begnadigt. Unter ihnen war Severo Moto – er wurde Obiangs Informationsminister. Spanien – und mit ihm der gesamte Westen – setzte auf die neuen Machthaber, versprachen sie doch ein Ende der Sonderbeziehungen mit der UdSSR.

Doch die Hoffnung trog. Die Obiang-Regierung löste sich nicht von den Strukturen des Militärregimes. Das Schicksal von Oppositionschef Moto zeigte dann, daß auch die jüngeren Versprechungen von Demokratie wenig geändert haben. Bis heute werden laut amnesty international jährlich Hunderte von Regimegegnern willkürlich verhaftet.

„Vielleicht haben wir zu lange zugeschaut“, muß heute selbst José Luis Solano, Subdirektor des spanischen Diplomatischen Dienstes, eingestehen. Doch seit 1993 habe Madrid zumindest die Hilfe für Militär und Polizei in der Exkolonie gestrichen. „Die zwölf Millionen Mark spanische Entwicklungshilfe gehen ins Gesundheitswesen und in den Kulturbereich, und das kommt schließlich nicht den Regime sondern direkt der Bevölkerung zugute“, so Solano. Ständiger Druck auf den Diktator anstatt radikal zu brechen, heiße das Rezept Madrids.

Als einen der wichtigsten Erfolge schreibt sich der Diplomat die Zulassung der Oppositionsparteien 1992 und die Kommunalwahlen im September 1995 auf die Fahnen. Die „Vereinigte Opposition“ (POC), der neben Motos Fortschrittspartei die sozialdemokratische CPDS und vier weitere kleinere politische Gruppierungen angehören, gewannen die Wahlen mit etwa 60 Prozent der Stimmen gegenüber 30 Prozent für die „Demokratische Partei“ (PD) von Präsident Obiang. Dieser zählte jedoch anders: Nicht einmal ein Drittel der Rathäuser sei an die Opposition gefallen, hieß es von Regierungsseite. Den Streit soll nun das Verfassungsgericht klären.

„Bevor wir weiteren Druck ausüben, müssen wir auf das Urteil des Verfassungsgerichtes in Malabo warten“, versucht Solano die guineische Opposition zu beruhigen. Moto sieht das anders: „Ein Embargo seitens der internationalen Gemeinschaft gegen das Regime Obiang muß her“, fordert er. Die Initiative dazu müsse von Spanien ausgehen.

„Das sind alles Träumereien“, weist ein anderer Oppositionspolitiker, Juan Balboa Boneke, diese Ideen zurück. Der 57jährige Schriftsteller ist seit zwei Jahren ein Sprecher der „Bewegung für die Unabhängigkeit der Insel Bioko“ (MAIB). Er diente einst dem Obiang-Regime – erst als Kulturminister, dann als Arbeitsminister, bis er sich der Forderung des MAIB nach einem Bundesstaat nach deutschem Vorbild anschloß und in Ungnade fiel. „Guinea ist ein künstliches Gebilde der Kolonialzeit. Bloß weil wir alle schwarz sind, haben wir noch lange nicht die gleiche Kultur“, begründet er seine Forderungen. Auf der Insel Bioko lebt das Bubi-Volk, auf dem Festland wohnt das Volk der Fang. Die Kolonialherren legten die Hauptstadt Malabo auf die Insel, aber „seit der Unabhängigkeit sind die Fang an der Macht“, klagt Boneke, der einer der ganz wenigen Bubi im Staatsdienst war.

Nach seiner Verhaftung wegen Separatismus gelang dem Exminister eine spektakuläre Flucht im Kanu über das Meer nach Kamerun. Heute genießt er Asyl in Spanien. „Die spanische Regierung interessiert sich reichlich wenig für die Menschen in Guinea“, wirft Boneke Madrid vor. Es zähle nur, ob die Regierung in Malabo „den einzigen Hort der Hispanität auf dem schwarzen Kontinent“ aufrechterhalte.

Das spanischsprachige Äquatorialguinea ist ringsum von französischsprachigen Ländern umgeben. „Obiang spielt genau mit dieser Konkurrenz“, so Boneke. Als Spanien Mitte der achtziger Jahre nicht mehr länger gewillt war, die inflationäre Landeswährung Bikwele an die spanische Pesete zu koppeln, wechselte Äquatorialguinea kurzerhand zum CFA-Franc, gekoppelt an die französische Währung. Frankreich investierte daraufhin Unsummen, um Äquatorialguinea französischsprachig zu machen. Das Projekt scheiterte kläglich: Nicht einmal die Beamten erlernten die neue Pflichtsprache.

Auch wirtschaftlich ging es für Spanien bergab. Die Ölquellen vor der Küste der Insel Bioko sind heute fest in den Händen des französischen Ölkonzerns „Elf“ und der US-amerikanischen Exxon. Beim Holzexport sieht es nicht viel anders aus. Nur im Fischfang hat Spanien noch immer die Nase vorn – und selbst hier sind die Zeiten selbständigen Handelns längst vorbei: Alle Wege führen über Brüssel, das weiß die Regierung in Madrid spätestens seit den Konflikten mit Kanada und Marokko. Die EU zahlt jetzt Äquatorialguinea alle drei Jahre rund zehn Millionen Mark für Fangrechte.

Ob ausgewiesene Korrespondenten, Haftbefehle gegen Nonnen oder aufgebrochenes Diplomatengepäck – Spaniens Regierung González versuchte jahrelang, alles Schlechte in Äquatorialguinea zu vertuschen, um das Verhältnis nicht noch weiter zu belasten. Erst bei unübersehbaren Schlagzeilen protestierte das Außenministerium zögerlich. Die Führungskräfte des guineischen Militärs wurden weiterhin ausgebildet, Staatsfernsehen und -radio konnten bis vor kurzem noch auf Zuschüsse aus Madrid zählen. „Im Dienste der spanischen Sprache“, lautete die Erklärung für solcherlei Stärkung des Propagandaapparates von Obiang.

Wie weit die spanische Schützenhilfe für den Diktator gehen konnte, erfuhr Severo Moto am eigenen Leib. Falls er seine Angriffe gegen Obiang nicht mäßige, müsse er mit Abschiebung rechnen, habe man ihm in den 80er Jahren, als er bereits im Madrider Exil lebte, immer wieder gedroht.

Solano will von all dem nichts wissen. „Frankreich und Spanien lassen sich nicht auseinanderdividieren“, sagt der Diplomatenchef. Als Beweis dient ihm eine gemeinsame Protestnote anläßlich der umstrittenen Kommunalwahlen, verabschiedet auf dem spanisch- französischen Gipfeltreffen Anfang Oktober. Daß sich Frankreichs Präsident Jacques Chirac, kaum im Amt, im benachbarten Gabun mit dem guineischen Diktator traf – darüber schweigt sich der Diplomat aus. Aber er sagt: „Es wird in Guinea keinen demokratischen Wandel geben, als wäre es die Schweiz.“

„Madrid möchte uns gerne vorschreiben, wie der Weg zur Demokratie auszusehen hat“, kritisiert Boneke, dessen MAIB bis heute illegal ist, da die Verfassung Guineas keine „regionalen“ Parteien duldet. „Als Vorbild dient ihnen ihr eigener Übergang von der Diktatur Francos zur Demokratie. Aber europäische Modelle sind auf Afrika nicht übertragbar. Was hier Nation und Nationalstaat heißt, ist uns fremd.“ Moto selbst sei vollständig europäisiert.

Der bestreitet das nicht. „Die Welt rückt immer enger zusammen“, so Motos Einschätzung, „Das haben wir nicht zuletzt der christdemokratischen Ideologie zu verdanken. Sie hat mit der Spaltung aufgeräumt.“ Sein großes Vorbild ist Helmut Kohl. „Wir stehen in einer langen christlichen Tradition. Die Diktatur von Macias und später von Obiang hat genau mit diesen Werten und mit Spanien gebrochen.“ Nun wartet er auf die spanischen Wahlen im März, die aller Voraussicht nach die christlich-konservative Volkspartei von José Maria Aznar gewinnen wird. Der stehe ihm, so Moto, viel näher als der Sozialist Felipe González.

Solche Aussagen hören einige in Madrid gar nicht gerne und präsentieren die Rechnung. So berichtete die spanische Tageszeitung El Pais „unter Berufung auf hohe diplomatische Kreise“ von einem Putschplan Motos. Dabei soll er auf die Unterstützung des US-Botschafters Bennett und Nigeria gebaut haben. Letzterem habe er gar die Ölförderrechte versprochen. Obiang war begeistert über dererlei verspätete Rechtfertigung seines Schauprozesses vom Frühjahr. „Dahinter stecken sozialistische Kreise in Spanien, die mich verheizen wollen“, weist Severo Moto alles von sich. „Wir haben keinen Putsch nötig. Wir sind bei den Wahlen so stark wie Obiang mit Gewalt.“ Und schließlich sei es nur noch eine Frage der Zeit. Bei den Präsidentschaftswahlen 1996 will er antreten und gewinnen.

Boneke vom MAIB glaubt hingegen an die Version von El Pais. „Einzige Unwahrheit: das mit Bennett“, erzählt er. Schnell fügt er hinzu, daß die USA überhaupt nur ein Interesse habe: die Ölquellen vor Bioko. Und genau da entdeckt plötzlich auch er seine außerafrikanischen Vorlieben: „Nicht wenige im MAIB hoffen, daß wir deshalb mit Hilfe der USA unsere Autonomie erreichen.“

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