Die US-Regierung arbeitet noch nicht normal

■ San Franciscos Staatsangestellte fürchten schon den nächsten Zwangsurlaub. Wichtige Etatposten sind nicht finanziert – sozial Schwache bleiben auf der Strecke

San Francisco (taz) – Wer am Montag im kalifornischen San Francisco telefonisch wissen wollte, wie er zusätzliche Visa-Seiten in seinen Reisepaß bekommen kann oder ob er für Reisen nach Guatemala ein Visum braucht, hatte Pech. Den ganzen Nachmittag blieb die Leitung des Paßamtes besetzt.

Nach 21 Tagen Zwangsurlaub wurden die Büros der US-Bundesbehörden am Montag dank der Einigung vom Wochenende zwischen Präsident Clinton und dem Kongreß zwar wieder geöffnet – aber 21 Tage angestauter Arbeit lassen sich nicht an einem Tag abarbeiten. In der Außenstelle des Umweltministeriums in San Francisco stapelt sich die Post in grauen Kisten. In allen Büros werden Berge von Briefen geöffnet, überflogen und sortiert oder weggeschmissen. „Wir machen zuerst die dringendsten Sachen“, sagt Pressesprecherin Virginia Donohue. Auf ihrem Schreibtisch ist kaum Platz für eine Kaffeetasse. „Es sieht aus, als ob hier eine Bombe eingeschlagen sei“, meint sie. Doch um Überstunden zu bezahlen, hat das Umweltministerium kein Geld: „Wir müssen etwa mit 90 Prozent von dem auskommen, was wir normalerweise ausgeben können“.

Die Beamten des Ministeriums können wegen der Budgetkürzungen weniger reisen und damit auch weniger Überprüfungen und Inspektionen vornehmen. Außerdem fehlt ihnen Geld, um laufende Umweltschutzprojekte zu finanzieren. In Newark bei San Francisco liegt seit 21 Tagen ein Programm zur Wiederaufbereitung des verschmutzten Grundwassers auf Eis. Durch die Kürzungen im Umweltbereich kann dort nicht weitergearbeitet werden. „Wenn wir aber weiter warten, wird die Verschmutzung noch schlimmer“, so Donohue. „Das hätte zur Folge, daß wir das ganze Programm überarbeiten und von vorne beginnen müßten.“ Die Beamten im Umweltministerium haben große Angst, nach dem 26. Januar wieder nach Hause zurückgeschickt zu werden. Falls Republikaner und Demokraten in Washington sich bis dann nicht über einen vollständigen Haushaltsplan haben einigen können, werden die Regierungsbüros nämlich wieder geschlossen.

Einige Türen weiter sorgt sich Larry Bush um ganz andere Dinge. Er arbeitet für das Ministerium für Wohnungswesen und Stadtentwicklung. Nach 21 Tagen Zwangsurlaub gilt es hier erst einmal, „den Menschen zu helfen, die drohten, obdachlos zu werden“, sagt er. Doch der Gesamtetat des Wohnungsministeriums wurde aufgrund der Bestimmung, daß der Kongreß Teile der Finanzierung für Bundesministerien zurückhält, um ein Viertel gekürzt. Die Gelder für Obdachlose wurden um die Hälfte, die zur Drogenbekämpfung ganz gestrichen. Einrichtungen der Stadt San Francisco, die Obdachlosen helfen, eine Bleibe zu finden, ihnen eine Ausbildung ermöglichen oder wo sie einfach nur essen können, werden fortan nur noch schwer zu finanzieren sein. Im Jahr 1995 erhielt San Francisco 26 Millionen US-Dollar Staatszuschüsse zur Finanzierung solcher Programme – nach den jüngsten Kürzungen bleiben für 1996 gerade vier Millionen Dollar übrig.

Organisationen, die Unterkünfte für Aidskranke zur Verfügung stellen, bekommen 1996 ein Viertel weniger Zuschüsse als im Vorjahr. Viele Aidskranke werden dann obdachlos, so Bush, „und die Epidemie nimmt zu.“ Ingo Malcher