Blutige weiße Weste

■ UNO-Sicherheitsrat verurteilt Kroatien

Es war kein besonders schönes Gesicht, das der demokratisch gewählte Diktator und Präsident Kroatiens, Franjo Tudjman, in der Krajina offenbart hat. Und das nach der Massenflucht der serbischen Einwohner. Gewiß. Die serbischen Einwohner der Krajina haben ihre kroatischen Mitbürger zuerst vertrieben. Aber Kroatiens Regierung hatte die einmalige Chance, allen Rachegelüsten und Vergeltungswünschen zum Trotz, in der Krajina eine andere Politik zu verfolgen als die der ethnischen Säuberung. Kroatien hat diese Chance nicht nur vertan. Es hat selbst eine mörderische Politik betrieben, verbunden mit ethnischen Säuberungen.

Es waren eben nicht nur Übergriffe einzelner Zivilisten oder Soldaten, sondern auch von Militärs und Milizen organisierte Plünderungen und Brandschatzungen, Exekutionen und Morde, mittels derer die Krajina „serbenrein“ gemacht werden sollte. Alte Menschen wurden in ihren Häusern abgeschlachtet, nur weil sie Serben waren. Dafür steht Kroatien am Pranger. Und das zu Recht. Es ist jedoch kein Zufall, daß die Verurteilung Kroatiens erst deutlich nach der Unterzeichnung des Dayton- Abkommens erfolgt. Tudjmans Kooperation in Dayton war notwendig. Und nicht zuletzt haben die Vereinigten Staaten und Deutschland ihre schützende Hand über Tudjmans Regime gehalten.

Dennoch schwächt die Verurteilung Kroatiens die ohnehin schon angeschlagene Position des selbstherrlichen Alleinherrschers in Zagreb. Seine Vettern- und Günstlingswirtschaft steht innenpolitisch in der Kritik. Die saubere Weste des „größten Staatsmanns“ in der Geschichte Kroatiens ist mit Blut besudelt. Aber der kroatische Nationalismus hat auch in der Opposition starke Wurzeln. Eine Rückkehr der serbischen Flüchtlinge in die Krajina stößt daher in der Bevölkerung keineswegs auf Wohlwollen. Die Bereitschaft der Flüchtlinge zu einer solchen Rückkehr dürfte ohnehin gleich null sein.

Mit seinem „Sturm“ in der Krajina und der Auslösung eines nationalistischen Taumels hat Tudjman sich bereits einmal aus der innenpolitischen Klemme geholfen. Er könnte es ein zweites Mal tun, wenn er in die Enge getrieben wird. Die militärische Rückeroberung Ostslawoniens ist keineswegs vom Tisch. Tudjmans „zweiter Sturm“ könnte auch die innerkroatische Opposition wieder zum Verstummen bringen. Und ein halbes Jahr später würde der Weltsicherheitsrat Kroatien erneut verurteilen. Ganz bestimmt. Georg Baltissen