Nicht über den Schatten gesprungen

Würde das Bauressort an die Union fallen, müßte Baudirektor Stimmann seinen Hut nehmen. Identitätsstiftende Vorhaben blieben dann Schattenprojekte. CDUler ist keine Alternative  ■ Von Rolf Lautenschläger

Wer dem Senatsbaudirektor Hans Stimmann in den vergangenen Tagen über den Weg lief, konnte sich schwer des Eindrucks erwehren, der Mann wolle sich partout durchbeißen. Mit mürrischer Miene rechnete er die Bilanz seiner vierjährigen Tätigkeit im Wohnungsbau vor, lobte die „kritische Rekonstruktion“ als Methode zum Aufbau der Innenstadt und ließ durchblicken, daß ein künftiger CDU-Bausenator eine „Katastrophe für die Stadtentwicklung“ bedeute. Architektur werde den Investoren sowie dem „schlechten Geschmack“ überlassen.

Daß jetzt auch noch der CDU- Fraktionspate Landowsky auftritt und die Idee der Grundstücksparzellierung und Durchmischung der Stadtstruktur für sich reklamiert, macht Stimmann erst recht „sauer“. Seit die CDU zum Halali auf das Bauressort in einer neuen Großen Koalition bläst und schon mit Namen gehandelt wird – Wolfgang Branoner als Nachfolger für SPD-Bausenator Nagel –, sieht Stimmann für sich Klärungsbedarf. Das kommt allerdings recht spät, gibt es doch in der Hauptstadt der Baustellen schon lange unzufriedene Gesichter angesichts seiner repräsentativen Baupolitik.

Stimmanns Manko liege zum einen in der bockigen Art, seine Vorstellungen vom Mythos der europäischen Stadt und des preußisch- steinernen Berlin „machtpolitisch“ und unter „Ausgrenzung moderner Baukunst“ durchzuziehen, kritisiert etwa der Architektursoziologe Werner Sewing. Mit der Beauftragung an das immer gleiche Architektenkartell Kleihues, Sawade oder Kollhoff würden moderne Architekturen und Materialien verhindert. Sewing: „Die banalen monolithischen Blöcke“ für (leere) Büros und Geschäfte bildeten die Resultate der Stimmannschen „Investorenfriedrichstadt“. Zum anderen sei die Idee der „kritischen Rekonstruktion“ und der kleinteiligen Parzellierung mit der Traufhöhe von 22 Metern von Stimmann selbst ausgehebelt worden, so der Baujournalist Rudolf Stegers. In der Stadtmitte sei nicht die Parzelle, sondern das Karree zum Dogma geworden. Heraus kämen keine typischen Häuser, sondern ängstliche Platitüden. Das „Kontorhaus Mitte“ und der „Hofgarten“ seien Haus und Block zugleich. Wirkliche bauliche und soziale Mischung schlössen sich so aus.

Ein „Baumanager“, der für urbane Stadtstrukturen und mit den Bewohnern kämpft, statt sich als Baudirektor in Architekturdebatten über Fassaden aufzureiben, wäre für die Baupolitik in der Stadt im Umbruch sinnvoller, meint der Architekt Christoph Langhof. Mehr Wohnungen, mehr bauliche Differenzierung, mehr städtische Peripherie und mehr soziale Mischung in der City könnten so gewonnen werden. Den Sachzwängen des Kapitals stände so ein Statthalter der Stadt gegenüber.

Ein Baumanager hätte es vielleicht auch eher vermocht, die eigenen Leistungen zu „verkaufen“. Es war ein Fehler der Bauverwaltung wie des Baudirektors selbst, die Investorenpläne in der City zu Identitätsprojekten für Berlin zu stilisieren. Wen interessiert schon das Baudesaster der KapHag? „Stimmanns eigentliche Erfolge liegen woanders, darüber hat man wenig geredet“, meinen auch Kritiker. Gemeint sind nicht die Quantitäten von 72.000 qualitativ auch fragwürdigen Wohnungen und Vorstadtprojekten gegen die Virtualisierung der Stadt. Gemeint sind die kommunalen Bauprogramme, die Stimmann im Rücken der großen Entwürfe am Alexanderplatz oder Potsdamer Platz angeleiert hat: acht Universitätsbauten, 46 Schulprojekte, ein Krankenhausprogramm mit neun Planungen, Sportbauten oder zahlreiche Kitas in durchaus identitätsstiftender Tradition und Innovation.

Identität mit dem rekonstruierten Stadtschloß, das die CDU will, einer Preußen-Disney-World Unter den Linden, barocker Ornamentik am Pariser Platz, Büropalästen und die Revision kommunaler Baupolitik lautet die Alternative zu einem Baudirektor, der nicht über seinen Schatten hat springen wollen. Leider.