: Kanal tritt zurück
■ Streit in der jüdischen Gemeinde über Haushaltsplan. Neuwahl am 17. Januar
Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Jerzy Kanal, wirft das Handtuch. Auf der nächsten Repräsentantenversammlung am 17. Januar wird er seinen vorzeitigen Rücktritt bekanntgeben. Die Differenzen innerhalb des 21köpfigen Gemeindeparlaments seien für eine Weiterarbeit einfach zu groß, sagte Kanal dem Israelischen Wochenblatt in der Schweiz: „Die letzte Repräsentantenversammlung war einfach unter jedem Niveau.“
Hintergrund der jüngsten, allerdings schon seit Monaten erbittert geführten Auseinandersetzung sind Streitigkeiten über den Haushalt 1996. Dieser vom Vorstand erstellte Haushalt von rund 10 Millionen Mark ist, obwohl das neue Jahr schon mit Kosten für Schule, Sozialeinrichtungen und Verwaltung angelaufen ist, von der Mehrheit der Repräsentantenversammlung bis heute nicht genehmigt worden.
Er wird auch nicht gebilligt werden können, weil es für den jetzigen, vom Liberal-Jüdischen Block (LJB) gestellten Vorstand keine politische Mehrheit im Parlament mehr gibt. Denn nachdem zwei Mitglieder des LJB sich kürzlich für „unabhängig“ erklärten, verfügt Kanal nur noch über neun Stimmen. Über ebenfalls neun Stimmen verfügt derzeit auch die Opposition, die Demokratische Liste (DL). Drei Stimmen hat die neu gegründete „Unabhängige Liste“. Die DL lehnt den Haushalt ab, weil ihr insgesamt 63 Punkte änderungsbedürftig und einige Posten als „erheblich fragwürdig“ erscheinen, sagt ihr Finanzexperte Heinz Seefeld.
Zum Eklat bei den Haushaltsstreitigkeiten kam es auf der Sitzung am 13. Dezember. Kanal kündigte den kollektiven Rücktritt des gesamten fünfköpfigen Vorstands (neben Kanal, Maria Brauner, Jacov Rabau, Norma Drimmer und Roman Skoblo) an, falls das Gemeindeparlament nicht wenigstens die Gelder für den Monat Januar entsperre.
Zu dieser Kampfabstimmung kam es allerdings wegen eines tragischen Unglücks nicht mehr. Mitten im heftigen Wortgefecht erlitt der Wortführer der DL, der Rechtsanwalt Ron Zuriel, einen Schlaganfall. Die Sitzung wurde unterbrochen, ohne abgestimmt zu haben. Ron Zuriel ist bis heute nicht mehr aus dem Koma erwacht.
Die öffentliche Repräsentantenversammlung am 17. Januar ist – weil mit Sicherheit turbulent – in den Großen Gemeindesaal verlegt worden. Als aussichtsreichster Kandidat bei einer Neuwahl des Vorstands durch das Gemeindeparlament gilt der Listenführer der DL, Moische Waks. Weil aber die beiden konkurrierenden Blöcke LJB und DL (nach Zuriels Schlaganfall) nur über je neun Stimmen verfügen, sind die drei Unabhängigen jetzt zum Zünglein an der Waage geworden. Anita Kugler
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