Karge Kost

■ Keine Nachrichten, viel TV-Schrott und etliche uneingelöste Versprechen: Ein einsamer Tag mit dem Frauensender TM3

Weggetreten wie ein Reptil, das man eben aus der Winterstarre ins Kameralicht gezerrt hat, blickt sie uns aus einer mit Federn besetzten Kapuze an. Die Szene kommt sehr milchig rüber, eine vereiste Glasscheibe, die der Frau vor die blasse Nase gehalten wird, behindert den Blick zusätzlich. Kreischende Möwen, heulender Wind – ist das nicht die Stimme von Sally Oldfield im Hintergrund? Die in Bleu gewandete Frau jedenfalls haucht einmal kurz an die Scheibe und ist dann verschwunden. Wieder und wieder dürfen wir uns fragen, ob das nun die Frau Holle der Neunziger oder der Winter persönlich gewesen sein soll, denn auf TM3 geizt man nicht mit der Ausstrahlung des Trailers zur Werbung in eigener Sache. Die süßliche Inszenierung ist schwer in Einklang zu bringen mit den taffen Versprechungen („TM3 – Fernsehen für Frauen. Frisieren und so? Ja, zum Beispiel Motorräder“), die uns zum Start des Senders Ende August auf zahllosen Plakaten gemacht wurden. Da hilft nur der rückhaltlose Selbstversuch. Ein Tag mit TM3 soll endlich zeigen, was wir an unserem Frauenfernsehen haben.

Hat Chefredakteurin Anna Doubek wohl ...

Los geht es morgens sportlich. Was Ende der Sechziger die gesundheitsfördernde „Gymnastik mit Hannelore Pilss-Samek“ (ZDF) war, heißt heute „Fit für Frieda“ und gerät natürlich überaus amerikanisch. Ein fröhlich-mahnendes „Be fit, be happy“ markiert nach einer Viertelstunde „Stretching“ und mäßigem „Shaking“ den Übergang zum Morgenmagazin „Frieda“.

Britta von Lojewski und Detlef Simon, ganz die netten Nachbarn, empfangen mich dazu in „ihrer“ quietschbunten Wohnung. Die heimelige Idee verliert jedoch schnell allen Charme, da Britta sich zum Vorlesen der lustigsten Schlagzeilen des Tages in voller Montur in die leere Badewanne legt, während Detlef auf der geschlossenen Toilette Platz nimmt – ganz wie zu Hause eben.

Es folgen Beiträge über den Besitzer eines Hotels mit Heilwasser- Grotte und die letzte Eisbär- Dompteuse Deutschlands. Getalkt wird mit Gästen über die Krimi- Leidenschaft von Frauen und die „Top-Themen“ „Hebammen in der Mühle der Gesundheitsreform“ sowie den neuen Bond.

Das muß zwar nicht zwingend „Fernsehen für Frauen“ genannt werden, wirklich ärgerlich wird es aber erst durch den halbstündigen Einschub der Spielshow „Hopp oder Top“, der ein selten dämlicher Sascha-Hehn-Verschnitt moderierend vorsteht. Umflirrt wird die Null von einer berüschten Assistentin. Traurig stimmen ebenfalls die vielen mit „bis gleich“ oder „bis nach der Werbung“ eingeleiteten Pausen, denen ein kurzes Schwarzbild oder Eigenwerbung folgt, bevor es weitergeht. Wohl um dieses Manko zu kompensieren, gibt es bei „Frieda“ Charts, in denen fünf Spots, die die Redaktion gut findet, gezeigt werden.

Recht einsam mit Britta und Detlef fühle ich mich auch während der telefonischen Verlosaktion von CDs und T-Shirts. Obwohl TM3 eigenen Angaben zufolge lediglich in Rheinland Pfalz, Niedersachsen, Baden-Württemberg, im Saarland und in Berlin noch nicht empfangen werden kann, melden sich nur drei Anruferinnen. Alle tun sich schwer damit, einen Film mit Michelle Pfeiffer zu nennen. „Dann nenn einfach irgendeinen Film, egal, mit wem!“ offeriert Detlef, wohl wissend, daß heute niemand mehr anrufen wird.

Nachdem „Fit für Frieda“ wiederholt wurde, kommt es zur Wiederholung der Talk-Show „Ultima“ vom vorigen Nachmittag. Bettina Rust und Susanne Rohrer reden mit Gästen über Bulimie und Magersucht, bevor es etwas später zu „Heart Attack“ kommt, dem „kunterbunten Kuppelstudio“, in dem Mädchen sich telefonisch mit einem Jungen verabreden können. Der Rest des Tages wird mit nicht mehr ganz aktuellen Serien von den amerikanischen Soap-Fließbändern und Spielshow-Konserven gefüllt. Da, wo man Männern „Dallas with balls“, den kostspieligen Fußball, bieten muß, damit sie sich im Spektrum zwischen tiefer Trauer und äußerster Euphorie möglichst weitläufig austoben können, reicht den Frauen zum Glück der vergleichsweise billige Trash.

...je selbst einen Tag lang TM3 geguckt?

Frauen wie Sabrina („Doppelter Einsatz“), Rosa Roth oder gar Emma Peel sucht man in „Dr. Westphal“, „Die Springfield Story“, „Reich und Schön“ oder in der französischen Dumm-dumm- Soap „Model Academy“ selbstverständlich vergeblich. Die Folgen sind täglich, manchmal im Doppelpack, zu sehen und werden am kommenden Vormittag wiederholt. Die Vormittags-„Frieda“ gibt es dafür um 16.30 Uhr noch einmal. Dem Leitsatz „Frauen wollen fernsehen und sich nicht informieren“ folgend, verzichtete man bei der Konzeption von TM3 vollständig auf Nachrichten.

Für Anspruchsvolle gibt es Sonntag- und Mittwochabend die Spiegel-TV Produktion „TM3- Magazin“. Anmoderiert von der TM3-Chefredakteurin Anna Doubek (hat Sie jemals einen Tag lang TM3 geguckt?), ging es an diesem Tag fast eine Stunde um „Die Frauen des Kreml“. Warum die einzig engagierte Reportage des Tages ausgerechnet dann für Werbung unterbrochen werden mußte, als eine Frau erzählt, wie sie sich in einem Kühlraum ausziehen mußte, wird wohl das ewige Geheimnis der Redaktion bleiben. Das Magazin war an diesem Tag jedenfalls das erste frauenspezifische Format, dessen Pendant man vergeblich auf anderen Kanälen sucht. Aufgefüllt wird das Programm durch Spielfilme, „die Frauen ernst nehmen, aber nicht zu ernst“, „Filme über Frauen, über Frauen und Männer“ (Trailer), die aus dem Kontingent des Filmhändlers und TM3-Betreibers Tele-München stammen. Offensichtlich wird das „Fernsehen für Frauen“ auf äußerster Sparflamme gekocht. Mutter braucht halt kein Fleisch. Claudia Thomsen