■ Daumenkino: Money Train
Wer manchmal nicht einschlafen kann, wenn es Zeit wäre, und sich durch nächtliche Programmschienen zappt, die oft besser unentdeckt geblieben wären, trifft manchmal auf alte Bekannte, die sich dort als sogar noch älter herausstellen. Eine Zeitlang freute ich mich an „Cheers“ und überlangen Krägen, und plötzlich stellten sie einen Aushilfsbarkeeper ein, der einem natural born killer unglaublich ähnlich sah. Der Abspann verriet, daß es auch für Woody Harrelson ein Leben vor Oliver Stone gab, wenn auch eines, das er vielleicht gerne vergessen möchte. Kann man jedenfalls vermuten, wenn man „Money Train“ sieht und davon ausgeht, daß der Mann nicht dauerhaft sturzbetrunken und/ oder unanständig geldgeil ist. Harrelson ist ja, das dürfte bekannt sein, ziemlich weiß. Und Wesley Snipes, der spielt auch mit und ist – auch nicht gerade neu – schwarz. Soweit noch kein Problem, aber die beiden spielen Brüder. Noch mal: Brüder („ungleiche“, liegt einem da auf der Zunge, aber lassen wir das). Und das Grandioseste an dieser wirklich umwerfenden Idee (Lernt man das in Kursen für kreatives Schreiben? Wäre da nicht Supervision nötig?) ist doch tatsächlich: Sie ist die beste des ganzen Films! Nicht, daß es nicht auch einen überaus bösewichtigen Bösewicht, mehrere heroische Rettungstaten in letzter Sekunde, nur eine schöne Frau für zwei Männer, wahnwitzig viel Pyrotechnik und überhaupt viel Knall auf Fall und Juchheißa geben würde, aber wenn dieses Faß noch eine Krone hatte – jetzt ist sie wirklich weg. Die Lösung für den Running Gag ist zwar simpel (und soll gemeinerweise hier nicht verraten werden), aber bietet doch immerhin Anlaß für einen guten Witz: „Bleib schwarz, Mann!“ – „Hab' keine andere Wahl.“
Während man immer noch baff vor soviel Dreistigkeit in den Sessel gedrückt wird, jagen sie einen mit der Handkamera durch U-Bahn-Schächte, fetzen Streicher und Bläser wie wildgeworden, werden Kinder gerettet und Brüder verdroschen. Und ein Fahrkartenverkaufshäuschen geht in Flammen auf: Spätestens das erinnert einen daran, wie blöd manche Amis doch sind. Der erste Blöde war vor allem phantasielos und kopierte den Teil des Films im richtigen Leben. Prompt hatten die restlichen Blöden, die sonst vornehmlich im Politteil von Zeitungen auftauchen, neues Futter für ihre „Filme, Comics, HipHop, Rockmusik, Videospiele, Schwule, Schwarze, Weihnachtsmänner sind schuld an der Gewalt auf unseren Straßen“-Diskussion. Damit lenken diese Blödiane nicht nur von den wahren Gründen ab, sondern sichern auch noch unverdientermaßen Arbeitsplätze in Südkalifornien. Vielleicht doch nicht so blöd. Manchmal wäre man besser auf der eigenen Couch geblieben. to
„Money Train“. Regie: Joseph Ruben. Mit Woody Harrelson, Wesley Snipes u.a. USA 1995, 103 Min.
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