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Havemann-Richter stehen erneut vor Gericht

■ Der Prozeß, der wegen eines schlafenden Schöffen geplatzt war, ist neu eröffnet

Frankfurt/Oder (taz) – Diesmal schnarchte niemand. Kein Auge fiel schlaftrunken zu, und kein Kopf sackte unkontrolliert zur Seite. Als gestern im Frankfurter Landgericht zum zweitenmal das Verfahren gegen fünf ehemalige RichterInnen und zwei StaatsanwältInnen der DDR aufgerollt wurde, lauschten die beiden neuen Schöffinnen konzentriert jedem Wort. Immerhin mußte der Prozeß um die Willkürakte der DDR-Justiz gegen den Regimekritiker Robert Havemann gestern aufgrund eines schlafenden Schöffen erneut starten. Dieser Schöffe hatte zudem einem Verteidiger erzählt, mit welchem Urteil er rechne. Befangenheit und justitiabler Schlaf hatten dazu geführt, daß das Verfahren im Dezember letzten Jahres nach knapp fünfmonatiger Laufzeit eingestellt wurde. Gestern begann alles von vorn.

Doch im Gegensatz zum ersten Prozeßtag im Juli 1995 kam es nicht einmal zur Verlesung der Anklageschrift. Kaum hatte der Vorsitzende Richter Joachim Dönitz seine einleitenden Worte gesprochen, meldete sich der Verteidiger Eckbert Klüsener zu Wort und forderte die Einstellung des „politischen Musterverfahrens“. Über den Antrag wird noch entschieden. Gravierender für den Fortgang der Verhandlung dürfte allerdings die Besetzungsrüge des Verteidigers Stefan König sein. Der Berliner Anwalt, der schon Stasichef Erich Mielke juristisch vertreten hat, rügte das Verfahren, mit dem am Landgericht Frankfurt (Oder) die Auswahl der Schöffen getroffen wurde. Zugleich kritisierte er, daß eine der beiden Laienrichterinnen mittlerweile in Berlin lebe und arbeite. SchöffInnen müßten jedoch ihren Wohnsitz am Ort des Gerichtsbezirks haben. Vor allem aufgrund dieser letzten Rüge unterbrach Dönitz schon nach knapp vierzig Minuten die Verhandlung und vertagte auf den 18. Januar.

Knapp 40 Minuten währte auch der erste Prozeßtag im Juli vergangenen Jahres. Damals hatte die Staatsanwaltschaft den sieben ehemaligen JuristInnen vorgeworfen, in den 70er Jahren bei zwei von der Stasi inszenierten Schauprozessen gegen Havemann mitgewirkt zu haben. 1976 hätten die Angeklagten Havemann auf Geheiß der Stasi rechtswidrig unter Hausarrest gestellt, drei Jahre später ihn ebenso rechtswidrig zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Diese Urteile, so hieß es in der Anklageschrift, seien „grobe Verstöße gegen DDR-Recht im Sinne von Willkürakten“ gewesen. Ziel dieser Prozesse sei es nicht gewesen, Gerechtigkeit herzustellen, sondern den 1982 verstorbenen Regimekritiker mundtot zu machen. Die Angeklagten wiesen diesen Vorwurf zurück und kündigten an, keine weiteren Aussagen mehr zu machen. Karin Flothmann

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