Kommunen klagen auf Unterhalt

■ Durch den Verfassungsgerichtshof soll NRW zur Übernahme der Kosten für Flüchtlinge gezwungen werden

Düsseldorf (taz) – Im Streit um die Kostenübernahme für Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber setzen jetzt 32 Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen auf die Justiz. Mit einer Klage beim Münsteraner Verfassungsgerichtshof wollen sie erreichen, daß das oberste Gericht in NRW die Praxis des Landes, nur 50 Prozent der Kosten für Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien zu übernehmen, für verfassungswidrig erklärt. Zudem wollen sie gerichtlich durchsetzen, daß das Land künftig auch für abgelehnte Asylbewerber bis zu deren endgültiger Ausreise weiter zahlt.

Während manche Bundesländer für diese Personengruppe bis zu zwei Jahre die Kosten übernehmen, stellt die Düsseldorfer Regierung die Zahlungen nach vier Monaten ein, obwohl eine Ausreise in der Regel nicht wegen kommunaler Versäumnisse scheitert.

Die beklagte Düsseldorfer Landesregierung reicht den Schwarzen Peter nach Bonn weiter. Die „Klärung zwischenstaatlicher Fragen“ ist nach Ansicht des Innenministers Franz-Josef Kniola „Aufgabe des Bundes und nicht des Landes“. Deshalb müsse Bonn bei von der Kommune nicht zu verantwortenden Abschiebehindernissen auch für die Kosten aufkommen. Auch bei der hälftigen Finanzierung der Kriegsflüchtlinge stehe Bonn im Wort.

Dem Prinzip nach erkennt der Bund seine Verpflichtung zwar an, nur das Geld blieb bisher aus. Die Bonner Koalition beharrt auf ihrem Standpunkt, daß die Länder im Rahmen der Solidarpaktvereinbarungen und der Neuregelung der Mehrwertsteueraufteilung so üppig bedacht worden seien, daß damit der Fünfzig-Prozent-Anteil für die Kriegsflüchtlinge schon abgedeckt sei. Diesen Streit haben die im Städte- und Gemeindebund zusammengeschlossenen Kommunen, so deren Vorsitzender Albert Leifert (CDU) gestern in Düsseldorf, „jetzt satt, denn wir bleiben dabei auf der Strecke“. Unterstützt wird die Position der klagenden Gemeinden durch ein Gutachten von zwei Juraprofessoren aus Bielefeld und Freiburg. Die beiden Juristen sind der Meinung, daß die Finanzierungspraxis des Landes schon deshalb gegen die Verfassung verstößt, weil das Land die Gemeinden nicht zu „Ausfallbürgen für den zahlungsunwilligen Bund“ machen dürfe.

Der Ausgang des Verfahrens ist von bundesweiter Bedeutung, denn die Praxis in den anderen Ländern sieht nicht viel anders aus. Nur der Freistaat Bayern stattet die Gemeinden bei der Kostenübernahme für Kriegsflüchtlinge mit achtzig Prozent bisher wesentlich besser aus. Erst jüngst hatte das Verwaltungsgericht in Wiesbaden den Finanzstreit zu Lasten des Landes Hessen im Sinne der klagenden Gemeinde entschieden.

Auf finanzielle Befreiung von nicht originär kommunalen Aufgaben sind die Kommunen dringend angewiesen. Im vergangenen Jahr hat sich die Lage dramatisch verschlechtert. Nach einer Umfrage des Gemeindebundes kam schon in 18 Prozent der Kommunen in NRW kein normaler Haushalt mehr zustande: Notverwaltung mittels Haushaltssicherungskonzept war die Folge.

Insgesamt stiegen die kommunalen Defizite im vergangenen Jahr um fünfzehn Prozent. Hauptursache: Während die Sozialhilfeleistungen um rund zehn Prozent stiegen, brach die Gewerbesteuer, die wichtigste kommunale Einnahmequelle, um fünf bis sechs Prozent ein.

Leifert sieht die Kommunen deshalb in „höchster Not“. „Wir stehen“, so der Verbandschef, „vor dem finaziellen Kollaps.“ Walter Jakobs