Stadtbahn schon im Jahr 2000?

■ Senatsgutachter für Einführung der Stadtbahn bis zum Jahr 2000 / Kernnetz von Altona bis Rahlstedt, Flughafen bis Rathausmarkt Von Florian Marten

Mit Hochdruck arbeiten gegenwärtig Mitarbeiter der Baubehörde an einer Senatsvorlage, welche die Einführung eines Stadtbahnnetzes in Hamburg befürwortet. Für 922 Millionen Mark soll ein erstes „Kernnetz“ aus zwei zusammen 40 Kilometer langen Linien entstehen, auf der im 5- bis 10-Minutentakt, meistenteils auf eigenem Gleiskörper moderne Niederflur-Stadtbahnen nahe der heutigen U-Bahn-Geschwindigkeit dahinflitzen. Grundlage der Planer ist ein umfassendes Endgutachten des Verkehrsberatungsunternehmens Hamburg Consult (HC), welches erstmals in unmißverständlicher Deutlichkeit Gestalt, Kosten und Realisierbarkeit eines Stadtbahnnetzes für Hamburg darlegt.

Linie I legt ein gigantisches U durch die Stadt: Sie soll von Nien-dorf entlang der heutigen Buslinie 102 über den Rathausmarkt zum Hauptbahnhof und von dort weiter bis zur City Nord führen. Dort spaltet sich die Linie I in einen Ast zur Lufthansawerft und einen zweiten Ast nach Steilshoop. Die gesamte Fahrzeit Niendorf-Steilshoop wird auf 55 Minuten (Hauptbahnhof-Steilshoop 25 Minuten) veranschlagt.

Knallhart: Die Gutachter wollen ein verknüpftes Stadtbahnnetz

Linie II führt vom Bahnhof Altona über die Max-Brauer-Allee und den Ring 2 bis zum U-Bahnhof Kellinghusenstraße und Winterhuder Markt. In der City Nord wechselt sie bis Steilshoop auf die Gleise der Linie I, um anschließend bis nach Rahlstedt die schon lange geforderte West-Ost-Tangentiale abzuschließen.

Ein druckfrisches Endgutachten der Hochbahn-Beratungstochter HC – Abschlußtermin Ende Januar –, welches der taz vorliegt, schließt einen Gutachten-Reigen ab, der bereits 1989 einsetzte: Damals hatten zunächst taz und GAL, später auch SPD-Umweltsenator Jörg Kuhbier die Wiedereinführung der Straßenbahn in Gestalt einer modernen Stadtbahn gefordert.

Bereits 1991 hatte ein erstes Gutachten Machbarkeit, Finanzierbarkeit und verkehrspolitischen Sinn der Stadtbahn festgestellt. Die Pläne der Verkehrssenatorin Traute Müller, schon im Jahr 1995 auf der Grindelallee ein Niederflur-High-Tech-Geschoß flitzen zu lassen, scheiterten am hinhaltenden Widerstand von Bausenator Eugen Wagner und Henning Voscherau. Auch der HVV und die Hochbahn AG zierten sich zunächst heftig; kein Wunder, hatten sie sich doch 1978 mit Wollust an der Abschaffung der Straßenbahn beteiligt.

Unverständlich zahm bei der Flughafen-S-Bahn-Anbindung

Inzwischen ist die Zahl der echten Stadtbahnfreunde gewachsen. Sogar Eugen Wagner zählt mittlerweile zu ihnen. Mit der wachsenden Zustimmung bei Behördenspitze und Hochbahn durften sich auch die Gutachter mehr herausnehmen. Sahen die ersten Überlegungen noch bloße Stichstrecken für die Stadtbahn vor (z.B. Steilshoop-Barmbek), so überrascht das Endgutachten der HC jetzt mit einer knallharten Sachaussage: „Die Gutachter machen deutlich, daß von einem verknüpften Stadtbahnnetz ausgegangen werden muß.“

Betriebshöfe, Wagenpark, Streckenkosten und Fahrgasteinnahmen, so verdeutlichen die Gutachter, stehen nur dann in einem optimalen Verhältnis, wenn ein wirklich neues, auf City und Tangentialen abgestimmtes Netz installiert wird. In ihrem frischen Mut beließen sie es nicht beim 922 Millionen Mark teuren Kernnetz (550 Millionen für die Strecken, 272 für Fahrzeuge und 100 für zwei Betriebshöfe). Das Gutachterduo Safari/Schenk überzog Hamburg gar mit einem Netz von Zusatz- und Ergänzungsstrecken. Um bei ihrem Auftraggeber nicht anzuecken, betonen sie aber brav: „Das Kernnetz versteht sich im strengen Sinne als Ergänzung zur Schnellbahn.“

Sorgsam wurde auf allerhöchste Autoverträglichkeit geachtet

Der Einsatz der Stadtbahn Richtung Umland – Vorbild: Karlsruhe – wurde dabei ebenso ausgeklammert, wie eine Stadtbahnstrecke durch den Elbtunnel nach Finkenwerder. Unverständlich zahm blieben die Gutachter in Sachen Flughafen: Zwar betonen sie mehrfach, daß die Strecke zur Lufthansawerft größten Nutzen verspricht, verzichteten aber, die Weiterführung bis zu den Flughafenterminals zu berechnen, bzw. das S-Bahnvorhaben des Senats (Ohlsdorf-Flughafen) in Frage zu stellen.

Ganz im Einklang mit den vorsichtigen Verkehrsplanern der Baubehörde verhielten sich die Gutachter auch in Fragen Streckenführung: Allerorten wurde auf allerhöchste Autoverträglichkeit geachtet. Allenfalls ein paar Parkplätze und ein bißchen Grün, so Wagners Vorgabe, dürfe den Stadtbahntrassen weichen. Eine Trassenführung durch die Lange Reihe schlossen die Gutachter deshalb bedauernd aus. Nur ganz am Schluß trauten sich die Stadtbahngutachter dann doch etwas zu: „Bei einem Baubeginn im Jahr 1997 könnte die erste Ausbaustufe noch im Jahr 2000 in Betrieb genommen werden.“ Voraussetzung? Der Senat muß schnell und konsequent handeln.