Zauderndes Zaudern

■ Hansjörg Betscharts inszenierte August Strindbergs Ehedrama „Totentanz“ im Ernst-Deutsch-Theater

Auf der Bühne ein pechschwarzer, hoher Raum, der wie ein U-Boot-Bunker wirkt. Kurz unterhalb der Decke steht das einzige Tageslicht in einer breiten, niedrigen Bunker-Fensteröffnung, beleuchtet Alice (Ingrid Stein) und Edgar (Peter Gross). Seit 25 Jahren sind sie verheiratet, seit 25 Jahren bekriegen sie sich. Liebe scheint es nie gegeben zu haben. Als Jugendfreund Kurt (Siegfried Kellermann) auftaucht, wird er gleich Zeuge des Ehedramas, abwechselnd ihr und sein Vertrauter und Hoffnungsträger für beide.

Als Totentanz vor fast hundert Jahren entstand, war Strindberg ein Neuerer ohnegleichen, ein anarchischer Stürmer gegen sein Lebensumfeld. Wenn die Gesellschaft in seinen Stücken böse und elend war, war es bis dato immer die Schuld der Frauen gewesen. Nun war das anders: die Schuldzuweisung fiel ihm schwerer, jeder war sowohl schuldig als auch Opfer. Der Frauenfeind Strindberg war zum Verständigeren geworden. Das Einräumen, das Zugeständnis geriet ihm zum Dilemma der Unentschiedenheit. Literarisch war er gleich weniger stark, weit weniger wirkungsvoll, schlicht: weniger bös-genialisch als bei Meisterwerken wie Fräulein Julie.

Sein Dilemma scheint er weitergereicht zu haben: selbst hundert Jahre später hat die Regie von Hansjörg Betschart bei dem in Todestanz umbenannten Stück noch damit zu kämpfen. So wird die Zeichnung der Figuren, vor der Pause noch stimmig, im letzten Drittel im Wirrwarr der immer schneller voraneilenden Handlung zum reinen Gehudel, bis selbst der vorher zwischen Abscheu und linkischen Anflügen von Zuneigung überzeugenden Ingrid Stein die Rolle momentweise aus den Händen rutscht.

Strindberg nehme selbst das absurde Theater vorweg, steht im Programmheft. Doch wenn infolgedessen auch die Lesart des Textes und seine Umsetzung zwischen dem realistisch Üblichen nach Art des Hauses und den verfremdeten Elementen der Absurdität unentschieden bleibt, dann ergibt das unfreiwillig komische Momente, wie sie sich, säbelrasselnd und zu laut, gegen Ende mehrfach finden.

Auch die durch das Bunkerfenster schwebenden Pantomimen-Elemente, die so gar nicht zur klaustrophobischen Stimmung passen wollen, scheinen nur ein weiterer Ausdruck der Unentschiedenheit zu sein: Als könnte die brüske Strenge des Bühnenbilds zu viel werden für den Mundsburger Damm, wird sie durch unverbindlich-„poetisches“ verniedlicht.

Schade. Die Zutaten für einen gelungenen Abend, der selbst Strindbergs Zaudern hätte formen können, sind nämlich alle durchaus gegeben – bei mehr Entschiedenheit. Thomas Plaichinger