Poetische Geisteraustreibung

Schuld daran, daß sie schreibt, war ihre Großmutter, „ihre Fähigkeit, Geschichten zu erzählen“. Außerdem helfe es, die Geister auszutreiben. Und drittens könne sie gar nicht anders, als Alternativen zur Realität zu erfinden. Carme Riera, 48, Professorin für Spanische Philologie an der Universität Barcelona, bekam vergangenen November für die noch nicht ins Deutsche übersetzte Erzählung „Dins el darrer blau“ den renommierten „Premio nacional de narrativa“ des spanischen Kulturministeriums.

Carme Riera gilt als Vertreterin der écriture féminine, eine der vielen fragwürdigen Schubladen in der großen Schrankwand der Literaturwissenschaft. „Die Sprache des weiblichen Geschlechts muß erst erfunden werden. Es gilt, die Sprache der Sinne zu erforschen.“ Dieses Zitat von Anaäs Nin hat Carme Riera einem Artikel von 1982 vorangestellt, in dem sie beklagt, daß die Gattung erotische Literatur von Frauen kaum gepflegt wird.

Carme Riera stammt aus Palma auf Mallorca; sie schreibt Mallorquinisch, einen katalanischen Dialekt,bei dem die Festlandsspanier Verständnisschwierigkeiten haben. Doch in der Regel sind die Katalanen zweisprachig. Trotzdem will das Katalanische – ähnlich dem Bretonischen oder Gälischen – gepflegt werden, damit es nicht zu einem aussterbenden Idiom wird. Unter Franco verboten, wird Katalanisch in Wort und Schrift seit den 70er Jahren wieder hochgehalten.

Carme Riera liest heute abend im Instituto Cervantes – auf Spanisch. Eine Konzession ans Bremer Publikum, das wohl nur in Ausnahmefällen des Katalanischen mächtig ist. Nach einer Einführung von Horst Hina, Hispanist an der Universität Freiburg, liest Riera aus früheren Werken („So zarte Haut“, „Im Spiel der Spiegel“) und aus „Dins el darrer blau“. Eine Geschichte aus Carme Rieras Heimat Mallorca, wo im 17. Jahrhundert, im letzten Autodafé, 38 „xuetas“, zum Katholizismus konvertierte Juden, durch die Inquisition verbrannt wurden. Mu

Zweisprachige Lesung. Instituto Cervantes, Schwachhauser Ring 124, 20 Uhr