„Eine gesellschaftliche Provokation“

■ 16.000 Metaller im Warnstreik / Heute Beschluß über Urabstimmung Von Kai von Appen

„Letzte Warnung – sechs Prozent mehr, sonst läuft nichts mehr.“ 800 MetallerInnen der Firmen Jungheinrich (Gabelstabler), Dolmar (Elektrosägen) und Pleuger (Industriepumpen) signalisierten gestern bei einem zweistündigen Warnstreik ihre Streikbereitschaft. Insgesamt 16.200 Metaller legten allein in Hamburg die Arbeit nieder, im gesamten Metallbezirk Küste zwischen Emden und Flenburg waren es 75.000 Beschäftigte.

Mit ihrer Aktion wollte die Gewerkschaft den Metallbossen einen Schuß vor den Bug geben, damit sie ihre starre Haltung aufgeben. „Es hat Wirkung gezeigt“, so ein IG Metall-Sprecher. Doch mit einem Angebot ist dennoch nicht mehr zu rechnen, so daß die Große Tarifkommission heute das Scheitern der Tarifverhandlungen und die Urabstimmung beschließen dürfte.

In Hamburg waren die Aktionen vielschichtig: Bei Blohm & Voss und den Winter-Betrieben traten die MitarbeiterInnen für 24 Stunden in den Warnstreik. Vor vielen Großbetrieben (Deutsche Airbus, Mercedes, Still sowie Philips) kam es zu Kundgebungen und begrenzten Arbeitsniederlegungen.

Im Verlauf einer Protestversammlung vor Jungheinrich in Wandsbek nannte Hamburgs IG Metall-Chef Klaus Mehrens das Verhalten der Metallunternehmer eine „gesellschaftliche Provokation“. In der Tat geht es in dieser Tarifauseinandersetzung nicht nur um Prozente, sondern um den Erhalt sozialen Besitzstandes. So wollen die Metallunternehmen erst über mehr Lohn verhandeln, wenn die Beschäftigten auf Weihnachtsgeld, Überstundenzuschläge sowie auf die 35-Stundenwoche zum 1. Oktober verzichten. Mehrens: „Es geht darum, daß wir weiterhin mit geraden Rücken in die Betriebe gehen können.“

Der Angriff auf die tariflichen Errungenschaften könnte allerdings schnell zum Rohrkrepierer werden. Bereits im vorigen Jahr hatten die Arbeitgeber versucht, Tarifvereinbarungen während des Lohnpokers zu killen. Damit sorgten sie aber nur für eine gewerkschaftliche Mobilisierung, die die IG Metall in einer reinen Lohnauseinandersetzung niemals erreicht hätte. Und: Gerade im Norden herrschen aus gewerkschaftlicher Sicht besonders gute Streik-Vorraussetzungen. Denn der boomenden Werft-, Maschinenbau-, Elektro- und Flugzeugbauindustrie käme ein Arbeitskampf derzeit sehr ungelegen, so daß mit einem schnellen Einlenken zu rechnen ist. Zudem könnten die 170.000 Nord-MetallerInnen Großbetriebe bestreiken, ohne daß die Gewerkschaft in anderen Bundesländern „Kalte Aussperrungen“ zu befürchten hätte, weil es im Norden kaum Zulieferindustrie für den Süden gibt.

Obwohl die Nord-Metaller im Ernstfall immer große Kampfbereitschaft gezeigt haben, ist es unwahrscheinlich, daß ihr Bezirk zum Streikgebiet erkoren wird. Grund: Politische Querelen in der Frankfurter IG Metall-Zentrale. Dort fürchtet man, daß der progressive IG Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller bei einem erfolgreichen Arbeitskampf zu mächtig wird und bei nächster Gelegenheit dem blassen IG Metall-Boß Klaus Zwickel die Machtfrage stellen könnte.