Politpoker um Wagenburg „Henriette“

■ Räumungsultimatum gegen Bauwagen an der Waterloostraße läuft heute aus Von Marco Carini

Starke Worte, offene Drohungen. Keine Gelegenheit läßt Eimsbüttels Bezirksamtsleiterin Ingrid Nümann-Seidewinkel zur Zeit aus, um zu verkünden, sie werde „jetzt das Räumungsverfahren gegen die Wagenburg einleiten“. Doch den 13 BewohnerInnen des Bauwagenplatzes „Henriette“ an der Waterloostraße steht der Angstschweiß trotz der Drohgebärden aus dem Amt nicht auf der Stirn.

Zwar müssen sie laut Bezirksultimatum den Platz heute bis 12 Uhr verlassen haben, doch eine Räumungsgefahr besteht vorläufig nicht. Denn nicht die Bauwagenburg, sondern die Bezirksamtschefin ist zur Zeit in der Defensive. Zwar kann sie ab heute die Personalien der Platz-„BesetzerInnen“ feststellen lassen und ein Räumungsverfahren einleiten – doch damit wären die Bauwagen noch lange nicht vertrieben.

Per einstweiliger Verfügung könnte der Räumungstitel von den WagenbewohnerInnen vorläufig ausgehebelt werden. Bis das Oberverwaltungsgericht das Räumungsbegehren des Bezirksamtes in zweiter Instanz vermutlich durchwinken würde, dürfte etwa ein Jahr vergehen. Doch diese Zeit hat Nümann-Seidewinkel nicht. Denn auf dem Wagenplatz sollen 33 Sozialwohnungen entstehen. Baubeginn in rund drei Monaten.

Da die Amtsleiterin weiß, daß sie auf dem juristischen Wege die ungeliebten Wohngefährte bis dahin kaum los wird, bot sie den „Henriette“-BewohnerInnen inoffiziell zwei „Kompromißlösungen an“. Sie könnten bis zum Baubeginn auf dem Platz bleiben, vorausgesetzt, sie würden Probebohrungen akzeptieren, die klären sollen, ob das Erdreich durch Schadstoffe belastet ist und alsbald abgetragen werden muß. Zudem sollte die „Henriette“ tatenlos zusehen, wenn die Pappeln, die dem Neubau im Wege stehen, bis Mitte März abgeholzt werden. Denn in der Vogelbrutzeit dürfen die Bäume nicht gefällt werden, erst im Spätsommer – weit nach der anvisierten Grundsteinlegung – könnten die Kreissägen wieder kreischen.

Um den BauwagenbewohnerInnen einen freiwilligen Abzug zu versüßen, ließ die in Zeitnot geratene Bezirkschefin zudem durchblicken, daß sie eine Umsiedlung der Wagen auf zwei Eimsbüttler Ausweichplätze zumindest zeitweilig tolerieren würde. Im Gespräch: eine Freifläche hinter der BP-Tankstelle an der Kieler Straße und ein Grundstück an der Altonaer Straße neben der Kneipe „Machwitz“. Doch da auch hier mittelfristig Neubebauungen drohen, wäre es mit der behördlichen Toleranz spätestens in einem Jahr vorbei.

Für die BauwagenbewohnerInnen aber, die sich gestern noch einmal mit Nümann-Seidewinkel zum „Dialog“ trafen, bringt die „weiche Behördenlinie“ keine Vorteile. Sie müssen ihren Platz voraussichtlich erst in einem Jahr verlassen, könnten auch auf den Ausweichflächen nicht länger bleiben. Von der Bezirksamtsleiterin forderten sie eine Ersatzfläche mit unbegrenztem Bleiberecht und zur Lösung der Bauwagenfrage die Einrichtung eines runden Tisches. Ingrid Nümann-Seidewinkel aber läuft – markige Worte hin, Kompromißvorschlag her – die Zeit davon.