Dialogfähigkeit? Welche Dialogfähigkeit?

■ Hamburgs Senat hat Kommunikationsprobleme mit sich und der Stadt Von Florian Marten

Die Patriotische Gesellschaft von 1765 bot, freundlich wie fast immer, ihre Mithilfe an. Wenn die Herren Senatoren nicht direkt mit den Betroffenen reden könnten, ob der Bürgermeister und sein Stadtentwicklungssenator dann vielleicht wenigstens in Hamburgs altes Rathaus an die Trostbrücke kämen, um ein bißchen öffentlich zu palavern? Immerhin, Senator Thomas Mirow kam – und damit redete am vorigen Mittwoch zum ersten Mal seit 14 Jahren ein zuständiges SPD-Senatsmitglied direkt mit der Hafenstraße (taz berichtete).

Auch hinter den Kulissen hatte sich der Senat schwergetan, und nicht nur in Sachen Hafenstraße. Im Dialog mit Betroffenen – wenn es sich nicht gerade um Investoren handelt – tut sich Hamburgs Regierung überaus schwer. Als kürzlich Umweltsenator Fritz Vahrenholt seinen Wilhelmsbürger Müllofen gegen die Wand des Bürgerzorns fuhr, staunte der gute Mann Bauklötze, als einige ihn fragten, warum er vorher denn nicht mit den Bürgern gesprochen habe. Vahrenholt fassungslos: „Vorher?“ Das sei absolut unmöglich: „Erst muß die Behörde eine Position entwickelt haben.“ Will heißen: Erst wenn der Senat beschlossen hat, darf über die Sache diskutiert werden.

Auch Thomas Mirow hat keine Schwierigkeiten, seine Dialogdefizite zu rechtfertigen: Vor einigen Monaten verlautbarte er vor einer Bürgerversammlung gegen die Umbenennung der Alsterdorfer Straße in Willy-Brandt-Allee: „Eine Ehrung wie diese sollte eigentlich der Bürgermeister allein entscheiden können.“ Anwandlungen von Feudalismus?

Im Senatsgehege herrscht intrigant-hierarchische Stille. Als im Frühjahr 1992 der Streit zwischen der damaligen Stadtentwicklungssenatorin Traute Müller und Bausenator Eugen Wagner eskalierte, gab es weder ein Vier-Augen-Gespräch Müller/Wagner noch eine Dreierrunde Voscherau/Wagner/Müller, wohl aber getrennte Meetings von Voscherau mit Müller und mit Wagner. Ein guter Kenner der Hamburger Senatorenszene schätzt, daß die tägliche Arbeitszeit zu 50 Prozent mit „Intrigeneinfädelung und Intrigenabwehr“ ausgelastet ist, zwischen 10 und 20 Prozent der höheren Beamtenebene seien mit Kontrolle, Abwehr und Attacke benachbarter Behörden beschäftigt.

Konflikte im Senat werden nicht offen ausgetragen. Politische Konflikte in der Stadt nicht mit Informationen aus erster Hand ausgelotet. Dieser Politik- und Kommunikationsstil steht in krassem Widerspruch zu den Erkenntnissen modernen Unternehmensmanagements. So stehen heute, wenn Personalchefs deutscher Spitzenunternehmen ihren Spitzennachwuchs rekrutieren, Kriterien wie „soziale Kompetenz“, „Dialogfähigkeit“, „Befähigung zur Teamarbeit“ oder „Führung durch Kompetenz“ ganz oben an. Auch jene Heerschar von Unternehmensberatern und Organisationsentwicklern, die derzeit landauf landab mit der Einführung von schlankem Management gutes Geld verdient, hat auf ihren Checklisten „Kommunikation“ und „Dialog“ ganz oben angesiedelt.

Meldungen, der Arbeitskreis Hamburger Führungskräfte sammle derzeit bereits Spenden, um dem Senat ein Kommunikationsseminar zu spendieren, erwiesen sich nach Recherchen der taz leider als haltlose Gerüchte.