„Ich liebe die Pfeffersäcke“

■ Eine Vorschau auf 1996 im Museum für Kunst und Gewerbe

Der Direktor war gut gelaunt. Am Morgen hatte ihm ein Hamburger überraschend eine Mappe mit Architekturfotos von Reinhard Wolf im Wert von 20.000 Mark für die Sammlung geschenkt. So stand im Museum für Kunst und Gewerbe der gestrige Jahresrückblick unter einem guten Stern. Wilhelm Hornbostel gab der Presse trotz aller Probleme eine positiv gestimmte Vorausschau für 1996.

Vor allen Inhalten steht das Thema Geld. Noch bezahlt der Staat die Gehälter und die festen Kosten. Dazu können alle Hamburger Museen ihre Eintrittsgelder behalten, kein ganz kleiner Betrag, kamen 1995 doch 310.000 Besucher. Aber die staatlichen Gelder schrumpfen kontinuierlich. Und das Sparen wird verschärft weitergehen. „Es macht keinen Sinn, nur zu klagen. Wenn ich jemanden vor das Schienbein trete, kommen auch keine Dukaten raus“, sagt der Direktor und sucht anderswo Hilfe.

Und wie bei kaum einem anderen Haus wird er auch fündig: das „Gelbe Schloß über den Gleisen“ erhielt im letzten Jahr zwischen einer und zwei Millionen Mark Spenden. So freut sich der Direktor: „Ich liebe die Pfeffersäcke, sie sind es, die hier alles seit Jahren am Laufen halten.“ Selbst knarrende Treppen und defekte Versorgungsleitungen werden inzwischen von Stiftungen und aus Testamenten repariert. Manche Stellen werden von Spenden aufgestockt oder sind wie die dritte Voluntärsstelle zur Herausgabe des Bestandskatalogs Jugendstil auf zwei Jahre von den 3100 Mitgliedern der Justus-Brinckmann-Gesellschaft gestiftet. Dieser Freundesverein feiert im Februar sein 75jähriges Bestehen.

Erneut bestätigte Hornbostel den unaufhaltsamen Wandel der Museen von kameralistisch verwalteten staatlichen Kulturtempeln zu amerikanisierten Dienstleistungsunternehmen. Die sogenannte Museumsverselbständigung wird kommen, manche meinen, schon 1997. Dabei geht es nicht um eine völlige Privatisierung, sondern um ein Mischmodell zwischen staatlichen Garantien und einer Legalisierung wesentlich freieren Wirtschaftens.

Obwohl sie nur ein Teil der Arbeit sind, wird ein Museum fast nur mit seinen Sonderausstellungen wahrgenommen. Das Museum für Kunst und Gewerbe plant dieses Jahr mehr als 20 davon: Von Erotik im Alten Japan zu Tütenkunst, von Deutschlandfotos mit der Camera obscura zu den Hüten der Adele List. Besonders erwähnt sei Gefühlsecht, eine Ausstellung heutigen Grafikdesigns und eine Rückschau auf die Mode von Yves Saint Laurent. Hajo Schiff