Raumfahrtkapsel im Busch

■ Umsichtige Ghanaer fanden Forschungskapsel im Busch / Und die Dasa freut sich

Wenn Raumfahrer etwas verlieren, wird's gleich ein bißchen teurer, denn 60 Millionen Mark-Projekte gelten in der Branche eher als bescheiden. Soviel verschlöingen schließlich schon relativ übersichtliche Programme, wenn sie mit ausrangierten russischen Kapseln arbeiten. Bei alldem herrscht ein hohes Verlustrisiko. Bestes Beispiel: die Raumkapsel „Express“.

Das Stück aus dem europäischen Raumfahrtprogramm verschwand im vergangenen Jahr von den Bildschirmen. Nach erfolgloser suche galt es als verloren – doch nun tauchte die 400 Kilogramm schwere Raumfahrtkapsel wieder auf: im Busch von Ghana. Darüber freuen sich sogar BremerInnen.

Klaus Kremper beispielsweise, der Sprecher der Bremer Dasa-Niederlassung, die an dem Versuch beteiligt war, nennt den Fund „einen Glücksfall für die Raumfahrt.“ Vielleicht könne man nun die verloren geglaubten Daten über Experimente auswerten, die in der Kapsel und auf ihrer Außenhaut geplant waren, hofft er. Das deutsch-russisch-japanische Unternehmen hätte nämlich Erkenntnisse über hitzebeständige Materialien für die bemannte Raumfahrt bringen sollen. Noch kann die europäische Raumfahrt nämlich nicht in der Orbit aufbrechen – weil sämtliche Flugobjekte bei ihrer Rückkehr in die Atmosphäre bei Temperaturen bis 2.600 Grad verglühen. Das ist ein altes Manko der Europäer, bestätigt auch Hansjörg Dittus vom bremischen Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie (ZARM). Wäre das Express-Experiment gelungen, hätte es mehr Unabhängigkeit von der amerikanischen Raumfahrt bringen können. Oder von der chinesischen oder russischen. Die nämlich verfügen bereits über eine sogenannte „Wiedereintrittstechnologie“. Zu deutsch: über ein Material, das nicht verglüht – und das im zivilen Alltag und „zeitlich in weiter, weiter Ferne“ für das Fliegen revolutionieren könnte. Vielleicht könnte man in zwei Stunden und im hitzebeständigen Flieger außerhalb der Erdatmosphäre von Bremen nach New York in zwei Stunden gelangen. Von solchen Dingen träumen Raumfahrer – wenn sie an Projekten tüfteln. Theoretisch. ten die europäischen Raumfahrer bisher verloren geglaubt.

Aufgrund komplizierter Rechnungen waren Experten bisher davon ausgegangen, daß die deutsch-russisch-japanische Forschungskapsel nach dem Fehlstart ins Meer gefallen war. Statt in sphärischer Höhe von 250 Kilometern war sie im japanischen Kagoshima Space-Center zu tief gestartet – und nach der mißglückten Zündung der Trägerrakete außer Kontrolle geraten. Weil alle Suchmanöver im neu berechneten Landegebiet erfolglos verliefen, war man davon ausgegangen, daß die Kapsel irgendwo hinter Japan im Meer versunken war. „Und was da erstmal landet, ist unwiederbringlich verloren“, sagt Kremper.

In Ghana muß sich derweil, unbemerkt von allen Beobachtungssatelliten der Welt, ein anderes Schauspiel zugetragen haben: Am Tag des mißglückten Starts haben sich irgendwo über dem Buschland nahe der Stadt Tamale zwei große Fallschirme entfaltet. Vorschriftsmäßig. Einer nach dem anderen – raumfahrttechnisch gesehen sei die Landung der verlorengegangenen Rakete sogar „programmgemäß“ vonstatten gegangen, staunen Kenner. Die Sprecherin der Deutschen Agentur für Raumfahrtangelegenheiten (Dara), Wagner, beispielsweise. Diese Information hat sie von zwei Experten, die den Fund in Ghana mittlerweile in Augenschein genommen haben. In einem ghanaischen Hangar wartet der nun auf seinen Rücktransport nach Deutschland.

Daß es zu „diesem Glücksfall für die Raumfahrt“ überhaupt kommen kann, ist vorsichtigen Ghanaern zu verdanken: Als sie das eigentümliche Metallstück fanden, alarmierten sie die Behörden. Die rückten mit einem Strahlenschutzkommando an, bevor sie die Absender des Stücks informierten. So ungefähr hat man das geschehen bei der DARA rekonstruiert. „Uns ausfindig zu machen, war ja einfach. Die Kapsel sei schließlich beschriftet gewesen, ebenso wie die übrigen Teile des Flugobjekts.

Wie lange die europäischen Forscher noch auf die Rückführung warten müssen, ist ungewiss: „Die ghanaischen Behörden haben dem Transport noch nicht zugestimmt“, heißt es aus der DARA. Allerdings rechne man bald mit einer Genehmigung. Dann soll die Kapsel in Deutschland geöffnet und untersucht werden. „Damit wir wenigstens wissen, was an diesem Experiment nicht geklappt hat“, so Kremper. ede