Gott schütze das kräftige Gelb des Käses

■ Viele Footballfreunde wünschen Wisconsins Green Bay Packers den Superbowl: Dafür aber müßte „the Pack“ morgen NFL-Titelverteidiger Dallas Cowboys schlagen

Portland (taz) – Beim „fabulous sportsbabe“ sind sie trotz des Jahrhundertsturms an der Ostküste das Thema Nummer eins. In der beliebten Radiosportsendung, über die gesamten USA ausgestrahlt, kanzelt die temperamentvolle Moderatorin (Markenzeichen Reibeisenstimme) Morgen für Morgen zahllose männliche Anrufer ab und läßt seit Tagen nur eine Prognose gelten: Die Green Bay Packers werden den Superbowl XXX gewinnen. The Pack will do it. Die Mannschaft in Grün und Gelb ist an der Reihe. Einspruch abgelehnt. Es läßt sich derzeit in Amerika nicht übergehen: Fast eine gesamte Nation fiebert derzeit mit der Footballmannschaft aus Green Bay mit.

Dabei ist Green Bay nichts als eine weitere kleine Stadt im Staate Wisconsin nahe der kanadischen Grenze an einer Ausläuferbucht des Lake Michigan. Wisconsin ist bekannt für seine Milchprodukte: Die meisten Menschen dort verdienen ihr Geld in der Agrarindustrie. Die Farben der Packers symbolisieren das satte Grün der Wiesen und das kräftige Gelb des Käses. Die außergewöhnliche Beliebtheit des Teams in den ganzen USA hat schon so mancher Schlaumeier mit schwülstigen Reden versucht zu erklären: „Als die Bauern kein Geld mehr auf ihren Farmen verdienten, mußten sie in die großen Städte ziehen, um zu überleben. Dort zogen sie Familien groß und übertrugen ihre Liebe zu ihrem Team auf ihre Kinder. Deshalb gibt es heute soviele Fans in der ganzen ...“ (gefühlvolle Ausblende).

Die Fans nennen sich selbstironisch cheese heads , Käsköpp'. Die Winter in Wisconsin gehören zu den härtesten, und die Gegend um Green Bay wird gerne als Niemandsland im Nichts oder, wie es Sportmoderator John Madden auf den Punkt brachte, als frozen tundra bezeichnet. Football und ein Pfefferminzschnaps sind oft das einzige, was die Menschen bei den dortigen Temperaturen erwärmen kann.

In den frühen sechziger Jahren war das Team unter seinem Coach Vince Lombardi nahezu unbesiegbar und gewann die beiden ersten ausgespielten Superbowls. Mit Bart Starr hatten die Packers damals so etwas wie den ersten Megastar-Quarterback. Die Medien nannten ihn „Mr. Green Bay“. Seit damals können die Packers auf eine landesübergreifende Anhängerschaft zurückgreifen.

In den siebziger und achtziger Jahren war es ruhig geworden um die Green Bay Packers. Zu oft verloren sie mehr Spiele, als sie gewannen. Die Mannschaften aus den großen Metropolen mit ihren größeren marktwirtschaftlichen Möglichkeiten hatten das Provinzteam überholt. Doch seit drei Jahren läuft es wieder in Green Bay, und dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist zweifellos die Ankunft von Trainer Mike Holmgren, der einst bei den San Francisco 49er Assistenzcoach war und einen konsequenten (Wieder-)Aufbau der Packers verfolgt. Vor zwei Jahren überredete er die Besitzer der Packers den damals gefragtesten free agent der NFL, Linebacker Reggie White, trotz hoher Gehaltsforderungen zu verpflichten, um die Verteidigung Green Bays zu alter Stärke zurückzuführen. Für viele Fachleute scheinen sich die Packers mit diesem Deal kräftig zu verheben, doch „the minister“, wie White oft bezeichnet wird, ist der uneingeschränkte spiritual leader Green Bays. Zur Zeit spielt er trotz einer üblen Muskelzerrung im Oberschenkel, die seinen Bewegungsablauf erheblich einschränkt. Auch wenn er dadurch nur in einem bestimmten Winkel die gegnerischen Muskelmassen rammen kann, reicht Reggie Whites physische Präsenz immer noch dazu aus, die Angriffsbemühungen der Opponenten zu penetrieren und Quarterbacks nervös zu machen.

Ein weiterer Grund für den Erfolg der Packers liegt in der Wurfpräzision von Green Bays Quarterback Brett Favre (26). Der verfügt über einen ungeheuren „Kanonenarm“ und ist für viele überraschend zum MVP (most valuable player) der Saison gewählt worden. Wie berechtigt diese Auszeichnung war, bewies Favre letzte Woche mit einer großartigen Vorstellung in San Francisco, wo seine Packers die favorisierten 49er 27:17 besiegten. Favre brachte 21 von 28 Pässen an den richtigen Mann, und viele davon waren aus vollem Lauf oder im Fallen geworfen, so daß sich nicht nur die Packers-Anhänger an die großen Zeiten von Bart Starr erinnert fühlten.

An diesem Wochenende spielt die Mannschaft aus Green Bay im Endspiel der National Football Conference gegen die Dallas Cowboys um den Einzug in den Superbowl (am Sonntag, 22.55 Uhr im DSF zu sehen). Der findet am 28. Januar in Tempe, Arizona statt. Die Packers gegen den Sieger aus Pittsburgh Steelers/Indiana Colts? Bei aller Euphorie: Nicht nur Skeptiker sehen einen Sieg der scheinbar übermächtigen Cowboys voraus. Auf dem ungeliebten Kunstrasen im Texas-Stadion hat Green Bay zuletzt fünf Spiele in Folge verloren. Andreas Lampert